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Neuigkeiten aus dem Knast in Bruchsal
Hier in der Strafvollzugsanstalt Bruchsal, in der Nähe von der "Residenz des Rechts" in Karlsruhe (so genannt, da dort Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht ihren Sitz haben), bemüht sich seit dem 11.11.2002 eine neue Vollzugsjuristin (bekannt als Regierungsrätin X, (Texte 1 | 2 | 3)
weiterhin, den Gefangenen, auch dem Autor dieses Artikels, ihr ganz eigenes Verständnis von Recht und Gesetz beizubringen; bemerkenswert daran ist nur, daß ihreAnsichten nach der Auffassung von Gerichten nicht immer mit dem Gesetz in Einklang stehen. Hier ein paar Beispiele aus dem Alltag des Autors:
(a)Die JVA ließ eine Altenpflegerin Anfang 2002 als ehrenamtliche Vollzugsbetreuerin zu, d.h. sie darf mich außer der Reihe besuchen und ihre Besuche werden nicht überwacht. Jedoch kontrollierte man inhaltlich die Korrespondenz zwischen ihr und mir.
Wie eine Löwin ihre Junggeborenen verteidigt, so warf sich o.g. Regierungsrätin X in die Bresche, um diese Zensur aufrechtzuerhalten und das, obwohl ich in einem vergleichbaren Fall schon einen Oberlandesgerichtsbeschluß vorweisen konnte, der der JVA die Zensur in einem anderen Fall verbot.
Erst das Landgericht Karlsruhe gebot mit Beschluß vom 05.02.03 der JVA und der Juristin Einhalt und untersagte die weitere Zensur dieser Korrespondenz.
(b)Nun mag man meinen, daß sich die Regierungsrätin X nur für wichtige Dinge engagiert, aber so, wie sie sich schon in Sachen "Nikolaus-Affäre" eher mit Petitessen befasste (und das für knapp 3000 Euro pro Monat an Gehalt), kämpfte sie wie eine Tigerin dafür, daß mir mein UHU-Kleber, den ich 2001 hier beim Knast-Kaufmann erwarb, nicht mehr ausgehändigt werde, nachdem ich am 07.10.02 von einem Kurzaufenthalt in Stammheim wieder nach Bruchsal kam. Mit Zähnen und Klauen verteidigte sie die Wegnahme der kleinen UHU-Klebertube, als stünde dem Abendland der Untergang bevor! Von potentiellen Sprengsätzen und Brandkörpern war plötzlich die Rede.
Der mittlerweile damit befasste Vorsitzende Richter am Landgericht Karlsruhe rief extra diese Dame an, denn ich hatte vorgeschlagen, mir im Rahmen einer "gütlichen Einigung" auf Staatskosten einen UHU-Klebestift (der weiter zugelassen ist) zu geben und dafür möge die JVA die UHU-Klebertube übernehmen! Nix da! Die Dame beschied dem Richter, man bestehe auf einen Beschluß. Tja, diesen Beschluß bekam sie dann auch, denn am 12.02.03 entschied der Richter, daß mir mein UHU zurückzugeben sei (11 Seiten langer Beschluß).
(c)Manche(r) erinnert sich vielleicht noch daran, daß ich gegen die hohen Preise für Schreibwaren protestierte, welche die Firma REWE KGaA von den Gefangenen hier in der JVA Bruchsal verlangt ( Text). Die Regierungsrätin X beharrt weiterhin darauf, daß ich die teuren Kuliminen, Leuchtmarker, etc. bei REWE kaufen müsse, nur hinsichtlich des Papiers und der Kuverts ist nun eine etwas preiswertere Bezugsmöglichkeit, nämlich durch die Druckerei der JVA selbst, geschaffen
worden, d.h. wir können dort Kuverts und Papier kaufen. Gegen die Weigerung der JVA, mir den Kauf billiger Kuliminen (u.a.) zu ermöglichen, ist schon das nächste Verfahren bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts anhängig.
Was aber pikant ist, ist folgendes: Die Zivilkammer des Gerichts bewilligte mir
Prozeßkostenhilfe und ordnete mit auf Staatskosten (!) einen Anwalt für eine Staatshaftungs-Klage bei. Denn ich werde das Land Baden-Württemberg auf Schadenersatz verklagen, da ich trotz eindeutiger Rechtslage weiterhin die teuren Schreibwarenartikel von REWE kaufen muß; weil der Schadenersatzprozeß begründete Erfolgsaussicht hat, bekam ich am 27.01.03 die erwähnte PKH bewilligt.
Es besteht die begründete Aussicht, daß o.g. Regierungsrätin X auch künftig unermüdlich für eine Beschäftigung des Gerichts sorgen wird, d.h. weit über die - eigentliche - Karnevalszeit hinaus (ihren Dienst trat sie am 11.11.02 an, dem Tag, an welchem in Deutschland die "5. Jahreszeit", die Karnevalszeit, beginnt). Aber einmal die Ironie und den Sarkasmus beiseite gelassen; es ist gerade für einen Menschen wie mich, der in Isolationshaft sitzt, doch nervtötend, wegen allem und jedem zu Gericht gehen zu müssen. Umso wichtiger ist es jedoch, hartnäckig und konsequent zu bleiben. Dies gilt auch für Menschen in Freiheit!
Als Dürrenmatt davon sprach, daß Gerechtigkeit in einem Raum stattfände, zu dem
die Justiz keinen Zugang habe, meinte er sicherlich auch die hiesige Haftanstalt.
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