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Psychisch krank und weggesperrt?

Wie geht die deutsche Justiz mit Menschen um, die angeblich psychisch krank sind? Eine Frage, die meist nur dann in breiter Öffentlichkeit behandelt wird, wenn es um ein Verbrechen geht und die Beurteilung der Schuldfähigkeit der/des Angeklagten ansteht. Aber wie sieht es mit freien BürgerInnen aus, die keiner Straftat beschuldigt werden? Was Herrn Z. aus Wuppertal im November 2002 widerfuhr dürfte kein Einzelfall, eher die Regel, sein. Herr Z. ist Ende 20 und Frührentner wegen einer Anfälligkeit für psychotische Schübe. Am 13 November 2002 wurde er zwangsweise in die Psychiatrie (Stiftung Tannenhof, Remscheid) eingewiesen. Schon das Procedere ist erschreckend! Der Stationsarzt der Psychiatrie hatte ein simples Formblatt, dort trug er Namen samt Adresse des Patienten ein, machte zwei Kreuzchen in der Rubrik "Diagnose" , nämlich bei Psychose und Suchtkrankheit, und schrieb auf 7 1/2 Zeilen (!) in typischer Ärztehandschrift, dass Herr Z. "verbal aggressiv" ist und in "fremden Schränken wühle", sowie mit den Fingern "nestele". Dieses "Attest" wurde dem Gericht per Fax zugeleitet und am Folgetag entschied Amtsrichterin Rathjens (Amtsgericht Remscheid), ohne sich auch nur Herrn Z. persönlich anzuhören, ohne ihm einen Anwalt beizuordnen, ja ohne ihm überhaupt Gelegenheit zu geben sich zu äußern, dass Herr Z. auf Antrag des Ordnungsamtes der Stadt Remscheid "für längstens sechs Wochen" zwangsweise unterzubringen sei. Aufgrund des Attestes seien "dringende Gründe" für die Annahme vorhanden, dass Herr Z. psychisch krank sei und eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestehe. (?)Da diese Gefahr offensichtlich nur durch eine Unterbringung in einem geschlossenen Krankenhaus abgewendet werden kann, müsse er einstweilen zwangsweise eingewiesen werden. Der drei Seiten umfassende Beschluss bestand ausschließlich aus Textbausteinen und vorgegebenen Kästchen, die angekreuzt werden mussten. Wir brauchen hier nicht zu entscheiden, ob die Unterbringung gerechtfertigt ist und für Herrn Z. das Beste war oder nicht, alleine schon das Vorgehen des Gerichtes ist skandalös genug. Eigentlich sieht das Gesetz (Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen) eine mündliche Anhörung des Betroffenen vor und es ist ein ärztliches Gutachten einzuholen (vgl. §5 Abs.1 i.V. m. §5 Abs.4). Von der Anhörung darf abgesehen werden, falls "sie nicht ohne Nachteile für den Gesundheitszustand" des betroffenen durchführbar ist. Hierzu muss sich ein Gutachten äußern. Das Formblatt des Krankenhauses, wie oben beschrieben, als "Gutachten" zu bewerten, täte dem Fetzen Papier zu viel der Ehre an; und zu angeblichen Nachteilen für Herrn Z.'s Gesundheit, die ein Unterbleiben der Anhörung rechtfertigen könnte, äußert es sich gar nicht. Das Gericht nickte also lediglich das Attest ab und zwang Herrn Z. in die Psychiatrie. Gerade die Formblätter des Gerichtes und der Psychiatrie legen den Schluss nahe, dass in Deutschland unter der Vorspiegelung rechtsstaatlicher Grundsätze frei Menschen, die nun wahrlich nichts und niemandem etwas getan haben, formularmäßig ihrer Freiheitsrechte beraubt werden. Da es sich angeblich um psychisch Kranke handelt, haben sie keine Lobby!




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last modified 21.11.2017 | webmaster