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Bruchsaler Gefängnis – stets gut für Neuigkeiten

Wieder einmal möchte ich ein bißchen aus dem Vollzugsalltag einer Haftanstalt berichten; die JVA (Justizvollzugsanstalt) Bruchsal in der ich zurzeit einsitze war schon mehrfach Gegenstand meiner Beiträge ( Texte zum Strafvollzug). Die schier endlos erscheinende Geschichte um die beiden Gefangenen Herrn G. und Herrn L. ( "Mobbing im Strafvollzug? Ein bislang unbeachtetes Phänomen?") ist um mehrere Kapitel reicher geworden. Beide waren bis 2003 Mitglieder der von den Insassen gewählten GV (Gefangenenvertretung) und nachdem sich ein Mitgefangener 2003 erhängte, schrieben sie einen Protestbrief an diverse Justizbehörden, den Landtag und die Justizministerin. Der Anstaltsleiter MÜLLER fühlte sich und seine MitarbeiterInnen verleumdet und entfernte die beiden Herren aus der GV (dieses Recht steht ihm formal zu) und belegte beide mit Disziplinarmaßnahmen. Sie sollten einige Tage in den Arrest (im Knastjargon Bunker genannt). Herr G. und Herr L. klagten hiergegen vor Gericht und gewannen am 10.12.03; das Justizministerium war damit nicht einverstanden und zog vor das Oberlandesgericht (OLG). Am Anfang Mai 2004 wies dieses jedoch die Rechtsbeschwerde des Ministeriums als unzulässig zurück. Nun versuchte Herr Müller es auf ein Neues: das Gericht habe lediglich Arrest für unangemessenen gehalten, also verhängte er 4 Wochen „Freizeitsperre“, d.h. die Herren G. und L. sollen in dieser Zeit an keinerlei abendlichen Freizeitaktivitäten teilnehmen dürfen. Ferner schloss er sie von Neuwahlen zur GV aus. Auch hiergegen klagen beide Insassen und in einer Eilentscheidung entschied bezüglich Herrn G. das Gericht, daß er vorläufig von der Disziplinarmaßnahme zu verschonen sei, bis das Gericht – in einigen Monaten - in der Hauptsache entscheiden werde. Herr G. hatte übrigens Anfang Mai 2004 einen Strafprozeß zu überstehen: ohne, daß die JVA ihm 2003 Gelegenheit zur Äußerung gegeben hätte, zeigte ihn Oberregierungsrätin X (schon allgemein bekannt, z.B. "Und sie bewegt sich doch - Neuigkeiten von Oberregierungsrätin X") wegen eines angeblich versuchten Diebstahls an. Er soll im Gefängnis-Shop versucht haben eine Stange Tabak zu klauen. Hätte man ihn angehört, so wäre die Sache umgehend geklärt gewesen, so mußte er bis zum Prozeß warten, wo er dann am 4.Mai 2004 erwartungsgemäß freigesprochen wurde. Unter Hinweis auf diesen (wie nun auch gerichtlich bestätigt wurde) ungerechtfertigten Anwurf, werden ihm Vollzugslockerungen verweigert! Herr G. wartet auf die Entscheidung des Vollzugsgerichts, denn er nimmt diese Verweigerung nicht hin. Und Herr L.? Er beantragte beim Zivilgericht Prozeßkostenhilfe für eine Zivilklage gegen das Land Baden-Württemberg, da man ihm seit einem Jahr Vollzugslockerungen verwehrt ( "Mobbing im Strafvollzug? Ein bislang unbeachtetes Phänomen?"). Er möchte Schmerzensgeld in vierstelliger Höhe erstreiten Nun bot das Landgericht als Vergleichsvorschlag 100 Euro an; das ist nicht die Summe die er erwartet, aber es wäre für ihn ein wichtiges Zeichen, ein Erfolg. Denn es würde dokumentiert, daß systematisches Verzögern von Lockerungen auch Schadenersatzansprüche auslöst. Noch eine Zahl zum Schluß: 10.000.000 Euro! Das ist nicht etwa der Hauptgewinn einer JVA-Verlosung, sondern die Summe die bis Ende 2004 ausgegeben wird um einen Zaun um die Außenmauer der Anstalt zu ziehen und diesen mit einer Alarmanlage zu bestücken. 10 Millionen Euro! Mit pathetischen Worten teilte der Anstaltsleiter mit, daß den Insassen welche Ausführungen (Verlassen der Haftanstalt in Begleitung von Wärtern) erhalten, ab 1.1.04 nur noch einmal pro Jahr, anstatt wie bislang zweimal ausgeführt würden, da angeblich kein Personal vorhanden sei. Aber mal eben 10 Millionen Euro für eine Umzäunung der eh schon hohen Mauer auszugeben, derartiges ist problemlos möglich. Mit diesen Eindrücken verabschiede ich mich für heute herzlichst. Thomas Meyer-Falk




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last modified 23.11.2017 | webmaster