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Die überfüllte Knastzelle



Einer der vielen Streitpunkte in deutschen Knästen, wie aber wohl in einem jedem anderen Land auch, ist die Frage, wie viel Gefangene im Haftraum aufbewahren dürfen. Nun fährt die JVA Freiburg einen konfrontativen Kurs.

Die Knastzelle

In der Strafhaft meist wenig größer als 7 qm, in der Freiburger Sicherungsverwahrung knapp doppelt so groß, ist der den InsassInnen verbliebene Rückzugsraum. Der Ort, der ihren Lebensmittelpunkt darstellt, im Bereich der Sicherungsverwahrung vielfach auch der Platz, an welchem sie eines Tages sterben.

Die „Übersichtlichkeit“ der Zelle

Die Knastleitungen und ihre Beschäftigten auf den Stationen fordern eine „Übersichtlichkeit“ der Zelle, so dass sie jederzeit „gut kontrollierbar“ ist; am liebsten sollen Gefangene so wenig wie möglich in den Zellen aufbewahren. Deshalb gibt es „Rahmenverzeichnisse“, die genau auflisten, was maximal in einer Zelle sein darf. Dort werden die Zahl der Kuverts, der Unterwäsche und aller anderer „erlaubter Gegenstände“ detailliert aufgeführt. In der Praxis sammelt sich bei Gefangenen mit langen Strafen oder Verwahrten der SV immer ein bisschen mehr an, was die JVA Freiburg auch bis dato akzeptiert hat.

Die „neue Politik“ von Bereichsdienstleiter W. und Konsorten

Im Februar/März 2018 fanden sogenannte „Zellenbegehungen“ statt (in der SV „Zimmerbegehungen“ genannt, denn die vergitterten Zellen hat der Gesetzgeber in „Zimmer“ umdefiniert) in der Sicherungsverwahrung der JVA Freiburg.
Bei fast allen Verwahrten kam es zu Beanstandungen, sei es, weil Bilder an den Wänden hingen, der Boden zu staubig oder eben, die Zelle „überladen“ (O-Ton Obersekretär L.) sei.
Somit sei die leichte Durchsuchbarkeit für das Schließpersonal nicht mehr leistbar, die Zellen müssten in den nächsten Wochen teilweise nachdrücklich auf einen „übersichtlichen Stand“ gebracht werden.

Der Zellenbesuch vom 8.3.2018

Am 8.3.2018 traten drei Bedienstete, der schon erwähnte Bereichsdienstleiter W., der Hauptsekretär B. und dessen Kollege Obersekretär L. auch in meine Zelle und in weichem Tonfall erklärte Bereichsdienstleiter W., so wie das bei mir aussehe, könne das keinen Bestand haben. Ich möge bis in einigen Wochen Habe aus der Zelle geben.
Und so gingen die drei uniformierten Sicherheitsbeamten von Zelle zu Zelle. Einige wenige Insassen reagierten nachdrücklich abweisend, andere nahmen die Belehrungen hin und versprachen, folgsam zu sein.

Die Fotos der Zelle

Im Sommer 2017 wurde meine Zelle fotografiert; damals hatte ich davon nichts erfahren und war umso erstaunter, als ich eines Tages meinen Müll in die Stationstonne warf. Weil mir mein Totenkopfring vom Finger abrutschte und auch in der Tonne landete, musste ich diese halb leeren, um den Ring zu finden. So fielen mir die Bilder meiner Zelle, schön in Farbe, in die Hände; Bedienstete hatten diese Unterlagen offenbar nicht geschreddert, sondern in den Stationsmüll geworfen.
Wer mag, findet die eingescannten Photos als pdf-Datei am Ende des Artikels und mag selbst beurteilen, wie „überladen“ die Zelle tatsächlich ist.

Die Konsequenzen

In meinem Fall wurde insbesondere die hohe Zahl an Büchern „beanstandet“, weshalb ich meinen Schulbesuch beendet habe.
Ich hatte hier seit 2015 die Gefängnisschule besucht und bis Juli wären die Schulfremdenprüfungen erfolgt, allerdings ist das Abitur unter diesen Voraussetzungen für mich weder leistbar, noch darstellbar. Eine Anstalt, die den Besitz von Büchern reglementiert, allerdings den Besitz hunderter Spiele-Konsole-Spiele zulässt (bis zu 300 CD-Scheiben sind hier ganz offiziell erlaubt), macht deutlich, welche Prioritäten sie setzt. Der seine Tage und Nächte an der Konsole sich abstumpfende Insasse ist sicherlich der „bequemere“ Häftling, als der der liest und dann das so gewonnene Wissen nützt.
Andere Insassen haben schon angekündigt, sich zu weigern, Sachen aus ihren Zellen zu geben. Es bleibt abzuwarten, wie viele am Ende standhaft bleiben.

Der Ausblick

Meine Reaktion sei unverhältnismäßig heißt es; nun ist das so eine Sache mit der „Verhältnismäßigkeit“. Ob Anlass und Reaktion in angemessenem Verhältnis zueinander stehen ist immer abhängig vom Standpunkt des/der BetrachterIn. Vorliegend greift die Anstalt unmittelbar in den letzten verbliebenen Rückzugsraum der Insassen ein. Auch diesen möchte sie jederzeit kontrollierbar halten. Die Seele haben die Verwahrten ebenso zugänglich zu machen, sich offen und bis in den letzten Winkel ausleuchten lassend, der Anstalt überantwortend. Der Zugriff auf die Insassen soll allumfassend sein.
Und es wird auch nicht die letzte Maßnahme der Haftanstalt sein, mit der sie versucht, die Insassen in das Korsett von Überwachung und allumfassender Kontrolle zu zwängen.

Sie, die Sie dies hier lesen, Sie leben nicht seit Jahren unter permanenter Rundumüberwachung, wo jeder Schritt außerhalb der Zelle überwacht, dokumentiert, zum Gegenstand der Bewertung des Staates wird. Wo jederzeit Fremde in Ihren Rückzugsraum eindringen, diesen fotografieren (dürfen), durchsuchen, Ihre Wäsche, Ihre Briefe befingern – und das seit Jahren. In meinem eigenen Fall seit 21!

Es gibt andere Insassen, die dann vor Wut schreien, die „drohen“ – und damit genau das der Anstalt an Material in die Hände spielen, was diese nutzt, um die Fortdauer der Verwahrung zu rechtfertigen.
Ich reagiere gleichfalls, aber ich werde die nun freigesetzten zeitlichen Ressourcen dazu nutzen, wieder mehr zum privaten Vergnügen zu lesen (jene Bücher, die man mir belassen wird), und auch konsequent gegen Rechtsverletzungen der Anstalt gerichtlich vorzugehen.

In diesem Sinne – halten Sie Ihre Wohnung schön übersichtlich ……

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – SV-Abteilung, Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
https://freedomforthomas.wordpress.com
http://www.freedom-for-thomas.de
Datei:
PDF icon Bild 1 aus Zelle von Thomas.pdf
PDF icon Bild 2 aus Zelle von Thomas.pdf
PDF icon Bild 3 aus Zelle von Thomas.pdf
PDF icon Bild 4 aus Zelle von Thomas.pdf
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last modified 21.03.2018 | webmaster