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JVA Bruchsal - Rollback in die 60er?

JVA Bruchsal – Rollback in die 60'er?

“Einkauf”- ein wichtiges Thema für wohl jede Gefangene und jeden Gefangenen. Während Menschen in Freiheit (je nach Geldbeutel) einkaufen, wo und wann sie wollen, muss sich der Mensch hinter Gittern an das von der JVA (Justizvollzugsanstalt) vermittelte Angebot halten.
JVA Bruchsal – Rollback in die 60'er?

“Einkauf”- ein wichtiges Thema für wohl jede Gefangene und jeden Gefangenen. Während Menschen in Freiheit (je nach Geldbeutel) einkaufen, wo und wann sie wollen, muss sich der Mensch hinter Gittern an das von der JVA (Justizvollzugsanstalt) vermittelte Angebot halten. Eine Vielzahl von Lebensmitteln ist dabei vom Bezug ausgeschlossen; bspw. jegliche Alkoholika, aber auch Pfeffer, Chili, größere Glasbehältnisse (dazu zählt auch schon das 200 gr. Glas löslicher Kaffee!). Stets werden Sicherheitsgründe geltend gemacht.

Darüber hinaus findet der “Einkauf” in der Regel nur alle 2-3 Wochen statt (sprich zwei Mal pro Monat); man muss also im voraus abschätzen, was man in diesem Zeitraum benötigen wird.

In der JVA Bruchsal betreibt seit mehreren Jahren die Firma REWE den Anstaltsladen: Ein im Keller des Hafthauses gelegener Raum, in welchem die Lebensmittel in Regalen stehen, abgeschirmt von einer hohen Glaswand. An dieser flanieren die Insassen vorbei, während als “Einkaufshelfer” tätige Mitgefangene an den Regalen Einkaufswagen vorbeischieben und die jeweils gewünschten Waren in den Wagen legen. Man kann sich also spontan für dies oder das entscheiden, fehlt jener Artikel, nimmt man – bei Bedarf – einfach noch einen anderen hinzu.

Diese Form des “Einkaufs” wird hier schon seit Jahrzehnten relativ problemlos durchgeführt; sicherlich gibt es immer wieder Anlass zu Kritik und Beanstandungen, aber im Großen und Ganzen funktionierte es reibungslos.

Seit Anfang Juni verdichten sich Hinweise, dass zum 30. November 2007 REWE gekündigt wurde und ab diesem Zeitpunkt die Insassen der JVA Bruchsal nur noch unter einem wesentlich geringeren Sortiment auswählen dürfen, den “Listeneinkauf” praktizieren sollen.
Hierbei muss der Gefangene eine Einkaufsliste (der dann in Bayern beheimateten Firma, die mehrere andere Knäste beliefert) ausfüllen, gibt diese ab und muss dann abwarten, was von den Artikeln, die er bestellt hat, für ihn tatsächlich angeliefert werden wird. Spontankäufe, der Kauf eines Ersatzproduktes, sollte ein Gewünschtes nicht vorrätig sein und ähnliches entfiele völlig. Zugleich soll das Sortiment erheblich verändert werden, so soll es keinerlei Waren mehr geben, die in Glasgebinden verkauft werden (z.b. löslicher Kaffee, Marmelade, saure Gurken, u.a.).

Zudem ist wohl im Gespräch, Obst- und Backwareneinkauf entweder ganz abzuschaffen, oder auch jener Firma in Bayern zu übertragen. Denn bislang können Gefangene hier in Bruchsal wöchentlich bei einem Bäcker, sowie einem Obst-/Gemüsehändler via Bestellzettel (auf eigene Kosten) Obst und Gemüse, sowie Backwaren bestellen.

Der Gefangene X. kommentierte diese Pläne mit “Sauerei! Da muss man doch was tun!”. Gerichtliche Klagen dürften wenig Aussicht auf Erfolg haben, denn einen Anspruch auf “Sichteinkauf” (also so wie er zur Zeit noch praktiziert wird) enthält das Strafvollzugsgesetz gerade nicht.

Die JVA Bruchsal ist gemäß Vollstreckungsplan für das Land Baden-Württemberg (vgl. Die Justiz 2004, 373 ff) zuständig für “besonders gefährliche männliche Verurteilte” (a.a.O. Ziff. 4.3.1.3.). Es bleibt abzuwarten, wie dieses Klientel und dies dann auch noch im Monat der angeblichen “Nächstenliebe”, sprich im Dezember, also einer Phase des Jahres, in der eine Vielzahl von Insassen sowieso besonders reizbar ist, diese “Neuerungen” aufnehmen werden., ob sie sich dies widerspruchslos gefallen lassen werden und es bei dem – leider – üblichen Gemecker belassen.

Selbst in den neun Jahren, in denen ich selbst das Vollzugsleben hier nur durch die Isolationshaft gefiltert mitbekam, erlebte ich zahlreiche Rückschritte. Sukzessive werden erreichte Standards wieder zurückgefahren, peu a peu schreitet der Verwahrvollzug voran. Es werden Gefangene nach Verbüßung des letztes Hafttages mit der Adresse des nächstgelegenen Obdachlosenasyls auf die Strasse gesetzt. Innerhalb dieses “roll-back” ist diese “Einkaufsgeschichte” nur ein Mosaikstein.

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA – Z. 3117, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
homepage: http://www.freedom-for-thomas.de




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last modified 23.11.2017 | webmaster