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Sippenhaft im Knast?


Sippenhaft im Knast?

Von Zeit zu Zeit berichten die Medien über eine angebliche „Russenmafia“ in deutschen Gefängnissen. (z.B. Badische Zeitung vom 26.05.2007, „Gefängnis trotz Russen-Mafia“).
Schon der Begriff „Russen“ ist falsch, denn in den wenigsten Fällen handelt es sich um russische Bürger, vielmehr geht es um Gefangene mit GUS-Migrationshintergrund und deutschem Pass oder aber GUS-Staatsangehörigkeiten.
Und auch wenn es unbestreitbar eine GUS-Subkultur gibt, erscheint das Etikett Mafia ebenso unpassend wie überzogen. Wozu jedoch die in Teilen schon hysterisch zu nennende Kampagne gegen die „Russenmafia“ führt, mag folgendes Beispiel illustrieren.
Am 19. November 2007 kam es im Gefängnishof der JVA Bruchsal zu einer Prügelei; dabei hatte eine Gruppe von GUS-Gefangenen zwei Mitgefangene (ebenfalls mit GUS-Hintergrund) angegriffen. Die Wärter lösten Alarm aus und in der Folge wurden erstmal alle GUS-Gefangenen weggeschlossen. Da saß beispielsweise einer friedlich Kaffee trinkend in seiner Zelle, als er sich plötzlich in Absonderung wiederfand.
Warum? Er sei schließlich auch ein Aussiedler, genau wie jene die sich da gerade im Hof geprügelt hätten.
Erst nach zwei Tagen wurden für einige dieser Insassen die Haftbedingungen wieder gelockert und mich frug einer von ihnen polemisch, wann man ihnen allen denn wohl anfange „gelbe Sterne“ an die Brust zu nähen.

Auch wenn der Vergleich hinkt, so ist es doch unbestreitbar so, dass solche Kollektivmaßnahmen, von den Betroffenen als Strafe wahrgenommen werden (und damit wird der subkulturelle Gruppenbildungsprozess, den die Justiz doch vorgeblich bekämpfen möchte, sogar gefördert).

Sicherlich darf man nicht blauäugig sein: Es gibt einen Gruppendruck in diesem Klientel genauso, wie Drogenkonsum und Hierachien. Das heißt ein Kinderschänder oder Vergewaltiger genießt auch dort nicht den besten Ruf.

Jedoch gibt es auch praktizierte Solidarität, die sonst unter anderen Gefangenen nicht in dieser Form zu beobachten ist: wer neu in eine Anstalt kommt und weder Kaffee, noch Tabak oder anderes hat, wird (mit)versorgt. Und damit diese Versorgung funktioniert gibt jeder von ihnen nach Leistungsfähigkeit etwas in einen „gemeinsamen Topf“.

Einige Aussiedler mit denen ich ins Gespräch kam berichteten, „Zuhause“ (also i.d. Sowietunion, dort sind sie i.d.R. aufgewachsen) wären sie die „Scheiss-Deutschen“, wahlweise auch „Nazi-Deutsche“ gewesen, nun nach der Übersiedlung in die BRD wären sie die „Scheiss-Russen“. Heimatlos dort wie hier – ausgegrenzt hier wie dort.

Am Tag nach der Schlägerei war der Gefängnishof relativ leer, eben weil so viele weggeschlossen wurden. Dafür gab es nun einige ganz „mutige“ Insassen die vernehmlich auf die „Scheiss-Russen“ schimpfend („geschieht denen ganz recht....“ und in diesem Stil) ihre Runden drehten.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA-Z.3113, Schönbornstrasse 32
D-6646 Bruchsal
Homepage: http://www.freedom-for-thomas.de




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last modified 23.11.2017 | webmaster