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Datenschutzbeauftragter billigt Datensammlung von Wachpersonal der RAF-Gefangenen

Die in Berlin erscheinende Tageszeitung ?taz? berichtete in ihrer Wochenendbeilage ?taz-mag? vom 27.April 2002 über ein Interview mit dem ehemaligen stellvertretenden Vollzugsdienstleiter der JVA Stuttgart-Stammheim. Dieser war im uniformierten Dienst tätig und zugleich zuständig für den ?berühmten? 7. Stock; jenem 7.Stock, in welchem 1977 unter mysteriösen Umständen Mitglieder der RAF zu Tode kamen.


Recht freimütig sprach dieser längst pensionierte Beamte mit dem taz-Reporter über seine privat angelegte Datensammlung, welche er zuhause in einer Kiste verwahrt. Er habe sich, so seine Auskunft, von allen wichtigen Unterlagen Duplikate gefertigt, auch von persönlichen Briefen, welche die im 7.Stock gefangen und in Isolation gehaltenen RAF-Mitglieder untereinander austauschten. Laut dem Bericht in der taz vom 27.04.02 präsentierte dieser Beamte stolz seine Kopien dem Reporter der taz.


Ich nahm diesen Bericht zum Anlaß, einmal bei dem baden-würtembergischen Landesbeauftragten für den Datenschutz nachzufragen, ob dies den mit dem Datenschutzrecht der RAF-Gefangenen welche von dieser Sammelwut des Ex-Beamten betroffen waren oder sind, vereinbar, und ob heute derartiges auch noch Praxis sei.


Mit Bescheid vom 24.09.02 billigte im Ergebnis der Datenschutzbeauftragte diese zum privaten Vergnügen (denn dienstlich notwendig dürften in einer privaten Holztruhe eines pensionierten Beamten verwahrte Kopien ? sogar von Gefangenenbriefen ? schwerlich sein) angefertigten Ablichtungen, in dem er sich auf den formaljuristischen Standpunkt zurückzog, daß die einschlägigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen, bzw. Gesetze erst 1978 in Kraft getreten seien.


Letzteres mag zutreffen, verkennt jedoch die Tatsache, daß das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sich unmittelbar aus der Verfassung ableitet; wenn der Datenschutzbeauftragte also gewollt hätte, so wäre er durchaus in der Lage gewesen das Verhalten des pensionierten Beamten zu prüfen. Aber auch heute noch, 25 Jahre nach dem ?heißen Herbst? und dem Tod von RAF-Gefangenen in Stuttgart-Stammheim, ist der Aufklärungswille selbst bei solchen Vorgängen an der Peripherie des Geschehens, gelinde gesagt, spärlich ausgeprägt, und fügt sich in das Klima das Beckstein, Schily und Konsorten mit ihrer Parole ?Datenschutz ist Täterschutz? schaffen, nahtlos ein!


Für die Interessierten folgt nun der Wortlaut des Bescheids des baden-würtembergischen Landesbeauftragten für den Datenschutz, Az: L7610, vom 24.09.02



Sehr geehrter Herr Meyer-Falk,


vielen Dank für Ihr Schreiben vom 9. Juli 2002, mit dem Sie uns auf den am 27./28. April 2002 in der "taz" erschienenen Artikel "Nur für Stammheim spreche ich" hinweisen, in dem sich ein ehemaliger Justizvollzugsbediensteter, der in den 70er-Jahren in der Ju­stizvollzugsanstalt Stuttgart (JVA) für die Abteilung zuständig war, in der zwischen 1974 und 1977 die führenden Mitglieder der ersten RAF-Generation einsaßen, über die da­maligen Verhältnisse in der JVA äußert. Zu Ihrer Frage, ob der heutige Pensionär, der - lt. Zeitungsartikel - damals von "allem, was von Amts wegen durch seine Hände ging" Kopien gefertigt hat, hierbei rechtmäßig gehandelt hat, ist Folgendes zu sagen:


Gegen das Bundesdatenschutzgesetz - soweit es auf den vorliegenden Sachverhalt überhaupt anwendbar gewesen wäre - und gegen das Landesdatenschutzgesetz hat der ehemalige Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt selbst dann nicht verstoßen, wenn er sich von dienstlichen Unterlagen mit personenbezogenen Angaben Kopien für seine private Sammlung gefertigt hat. Dies liegt daran, dass diese Gesetze zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht in Kraft waren. Die wesentlichen Teile des Bundesdatenschutz­gesetzes (BDSG) vom 27. Jan. 1977 sind erst am 1. Jan. 1978 in Kraft getreten. Das Landesdatenschutzgesetz Baden-Württemberg (LDSG) vom 4. Dez. 1979 ist erst im Frühjahr 1980 in Kraft getreten. Das damalige Kopieren der in dem taz-Artikel genannten Unterlagen konnte somit schon deshalb keinen Verstoß gegen Datenschutzgesetze dar­stellen. Dass es unter heutigen Verhältnissen nicht anginge, dass sich Vollzugspersonal von dienstlichen Unterlagen Kopien fertigt und diese mit nach Hause nimmt, liegt auf der Hand. Mit dem 4. Gesetz zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes (StVoIlzG) vom 26. Aug. 1998 (BGBl. l, S. 2491) hat der Gesetzgeber Regelungen über die Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten in das Strafvollzugsgesetz (§§ 179 - 187 StVoIlzG) eingefügt. § 183 Abs. 1 StVoIlzG schreibt vor, dass sich der einzelne Voll­zugsbedienstete von personenbezogenen Daten nur Kenntnis verschaffen darf, soweit dies zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgabe oder für die Zusammenarbeit nach § 154 Abs. 1 StPO erforderlich ist. Für die Vollzugsbediensteten wird damit eine eigen­ständige Verantwortung begründet, deren Missachtung straf-, dienst- oder arbeitsrechtli­che Folgen nach sich ziehen kann. Diese Bestimmung ist im Zusammenhang mit § 187 Satz 1 StVoIlzG zu sehen, der auf § 5 BDSG verweist. Die letztgenannte Vorschrift re­gelt, dass es den bei der Datenverarbeitung beschäftigten Personen untersagt ist, per­sonenbezogene Daten unbefugt zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen und, dass dieses Datengeheimnis auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit fortbesteht. Hieraus ergibt sich, dass das Kopieren von Unterlagen zu privaten Zwecken nicht zulässig ist. § 183 Abs. 2 StVoIlzG regelt darüber hinaus, dass Akten und Dateien mit personenbezogenen Daten durch die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen gegen unbefugten Zugang und unbefugten Gebrauch zu schützen sind. Die Justizvollzugsan­stalt muss daher durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge tragen, dass nur zuständige Vollzugsbeamte und nur in dem zu ihrer Aufgabenerfüllung erforderlichen Maß perso­nenbezogene Daten in Akten und Dateien einsehen können. Einen darüber hinausge­henden Zugang und unbefugten Gebrauch dieser Daten muss die JVA durch technisch organisatorische Maßnahmen verhindern, wobei nach § 183 Abs. 2 Satz 3 StVoIlzG für die Art und den Umfang der Schutzvorkehrungen § 9 BDSG gilt.


Wir hoffen, dass unser Schreiben von Interesse für Sie ist.


Mit freundlichen Grüßen

In Vertretung


Körner




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