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Nachrichten aus dem Strafvollzug



Nachrichten aus dem baden-württembergischen Strafvollzug...

Selbstmord:
Suizide kommen auch und gerade hinter Gefängnismauern vor; aber speziell in Baden-Württemberg wird kaum Notiz davon genommen. Während bspw. in Berlin – und sei es auch nur durch eine kurze Notiz – in der Tagespresse solche Todesfälle der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden (besser wohl: Gebracht wurden, denn die dortige Justizsenatorin will die Vermeldung solcher “besonderer Vorkommnisse” einschränken), ist dies in hiesigen Gefilden unüblich.
So nahm auch die Bevölkerung keine Kenntnis vom Tod eines 24-jährigen Gefangenen im Vollzugskrankenhaus Hohenasperg. Er erhängte sich am 19. Juli 2007 in seiner Zelle.
Der von mir angeschriebene Petitionsausschuss des Landtages teilte mit Schreiben vom 12.11.2007 (Az. Petition 14/1560) lapidar mit, es “hätten sich keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden ergeben”, insbesondere sei “fachärztlich festgestellt”, dass keine Eigengefährdung vorgelegen habe.
Hintergrund des Suizids, so teilte mir ein Gefangener aus der dortigen Anstalt mit, seien sexuelle Übergriffe auf jenen Insassen.
Auch hierzu wusste der Landtag nur mitzuteilen, dass dieser Verdacht “Gegenstand eines gegen vier ehemalige Mitgefangene geführten laufenden Ermittlungsverfahrens” sei. “Schuldhaftes Verhalten von Bediensteten” sei nicht erkennbar.

Einkauf:
Von den Toten zu den Lebenden; der Übergang von obigem Thema zu dem jetzigen fällt nicht wirklich leicht.
Nun, in der JVA Bruchsal wird zum 1. Dezember 2007 der sogenannte “Sichteinkauf” durch den “Listeneinkauf” ersetzt. Eine weitere Maßnahme, um die Insassen einzuschränken. Bislang gehen wir in einen Einkaufsraum im Keller der Anstalt. Hinter einer Glasscheibe sind die Waren in Regalen sichtbar, und als Einkaufshelfer tätige Gefangene legen auf Wunsch ihrer Mitgefangenen die jeweils zu kaufenden Waren in einen Einkaufswagen, schieben ihn zur Kasse, wo man sie dann in Empfang nimmt.
Künftig müssen wir den Beamten eine ausgefüllte Liste übergeben, diese wird per e-mail oder Fax an eine Firma Massak GmbH übermittelt, die dann die Waren packt und für jeden Gefangenen vorsortiert anliefert. Spontankäufe sind so faktisch ausgeschlossen, das Betrachten der Waren ebenfalls. In einem Verfahren vor dem Landgericht, in welchem die Abschaffung des Sichteinkaufs geprüft werden soll, verteidigt sich die Anstalt mit dem Argument, in Freiheit gewinne der Einkauf über Internet oder Katalogbestellung immer mehr an Bedeutung. Vortrefflich! Nur pickt sich die JVA stets das heraus, was ihr gerade in den Kram passt: Obwohl in über 90 % der Haushalte ein PC und ein Kühlschrank stehen, dürfen wir weder Computer noch Kühlschränke in den Zellen besitzen (um nur ein kleines Beispiel zu nennen). Ferner seien Gründe der Rationalisierung Anlass für den Listeneinkauf, weil so weniger Vollzugspersonal benötigt werde an den zwei Mal pro Monat stattfindenden Einkaufstagen.

Zynismus pur:
Zum Schluss ein zynisches Beispiel für die Denkstrukturen des uniformierten Dienstes in der JVA Bruchsal im Haufthaus 4 (auch 4. Flügel genannt). An einer Glasscheibe im 2. Stock haben Beamte einen weißen Zettel befestigt mit der Aufschrift: “Hausieren, betteln und hier herumstehen verboten”; direkt platziert zwischen zwei Beamtenbüros, in die jeder Gefangene gehen muss, will er einen Antrag abgeben. Ich wollte es erst nicht glauben, als ich am 14.11.2007 dieses Pamphlet sah, aber es ist offenbar ernst gemeint.

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
homepage: http://www.freedom-for-thomas.de




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last modified 23.11.2017 | webmaster