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Knacki als Pawlow'scher Hund?

Die Freiheitsentziehung an sich sollte eigentlich schon Strafe genug sein; gerade in den letzten sonnigen Wochen wünschte ich mir oft genug, einfach mal so an einen See zu gehen und baden zu können. Dies nur als kleines Beispiel.

Im Gefängnis geschehen jedoch mal mehr, mal weniger subtile Erniedrigungen, wobei ich mir auch stets überlege, ob ich vielleicht ein bisschen überempfindlich bin, denn in der Isolationshaft kommt einem auf Dauer der Bezug zu „normalen“ Reaktionsweisen abhanden. Gerade am letzten Wochenende kam es wieder zu einer kurzen Diskussion mit einem Wärter:
Vor und nach meinem täglichen Einzelhofgang im Gefängnishof werde ich mit einer Metallsonde auf „gefährliche Waffen und Werkzeuge“ hin durchsucht. Ich komme also vom Hofgang zurück in den Flügel, der Wärter, Obersekretär O. steht da mit einer Sonde in der Hand... Und ich ließ ihn stehen, nahm meine frische Unterwäsche, füllte einen Eimer mit heißem Wasser und spazierte an ihm vorbei, bis er rief: „Herr Meyer-Falk, was ist mit dem absonden?“. Daraufhin ich: „Was soll damit sein?“ Er: „Sie haben doch gesehen, dass ich die Sonde in der Hand halte!“ Ich: „Was weiß denn ich, warum Sie etwas in der Hand halten, Herr OBERSEKRETÄR!?“

Jedenfalls sondete er mich dann ab und fertig. Aber ich denke, ich bin kein Hund, der automatisch Männchen macht. Wenn die Wärter etwas wollen, sollen sie es sagen (sich deutlich artikulieren gewissermaßen).

Oder ein andermal sondet mich ein Wärter ab und nachdem er die Vorderseite meines Körpers kontrolliert hatte, kommandiert er: „Umdrehen!“. Ja bitte schön, sind wir hier beim Militär, in einem Drilllager oder aber in einem deutschen Gefängnis, in welchem die Würde des Menschen unantastbar sein soll (zumindest steht das irgendwo so, ich kann mich gerade nicht genau erinnern wo)? Also sage ich in meinem freundlichsten Ton, dass wenn er etwas wolle von mir, er doch bitteschön einen freundlicheren Ton anschlagen und das Wort „bitte“ nicht vergessen möge. Die Reaktionen hierauf sind für mich jedesmal aufs Neue interessant: Einige Wärter spazieren böse blickend um mich herum und sonden mich dann auf meiner Rückseite ab, andere beginnen zu diskutieren und meinen, ich wisse doch, was ich zu tun hätte. Andere wiederum werden richtiggehend aggressiv und je mehr ich sie anlächle, umso wütender werden sie. In einem Fall meinte ein Wärter, zu mir sage er nicht „bitte“. Niemals! Nie! Und nachdem die Zellentür ins Schloss fiel, hörte ich ihn, wie er sich lautstark bei seinem Schließerkollegen beschwerte: „Zu dem sag ich nicht „bitte“...

Aber hier gilt das schon oben erwähnte: Gefangene sind keine konditionierten Hunde, die sich quasi „automatisch“ oder auf Kommandoton zu fügen haben, auch wenn - bedauerlicherweise - das System Strafvollzug anfällig dafür macht, dass bestimmte Reaktionen konditioniert werden. Immer wieder berichten entlassene Ex-Gefangene, dass sie sich zu Anfang regelrecht zwingen müssten, vor geschlossenen Türen nicht stehen zu bleiben, um auf einen Wärter zu warten, der ihnen aufschließe. Wer 5, 10, 15, 20 Jahre daran gewöhnt wurde, stets vor verschlossenen Türen zu stehen und warten zu müssen, die/der muss sich in Freiheit erst umgewöhnen.

Deshalb halte ich es für wichtig, auch kleine und kleinste Räume der Autonomie zu verteidigen und dem Druck der Konditionierung zu widerstehen. Denn wir sind Menschen und keine seelenlosen Automaten. Gerade im Gefängnis ist es jedoch auf Grund der äußeren Umstände schwierig, diesem Prinzip in aller Konsequenz treu zu bleiben, was nichts daran ändert, dass man es nicht aus den Augen verlieren sollte.




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last modified 23.11.2017 | webmaster