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Knast und Resozialisierung

Knast und Resozialisierung

Als 1976 der Deutsche Bundestag das Strafvollzugsgesetz verabschiedete, bestimmte er in dessen § 2 als Aufgabe des Freiheitsentzuges, die Befähigung der Gefangenen, „künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.“
Dieser als „Resozialisierungsvollzug“ bezeichnete Strafvollzug versteht unter „sozialer Verantwortung“ eine Haltung, in der straffreie Lebensführung am ehesten erwartet werden kann (Böhm in Kommentar zum StrVollzG, Hrsg. Schwind/Böhm, 4.A. § 2 Rz. 13) Hilfreich sei zwar „Angst vor Strafe“, so Böhm (a.a.O.), jedoch könne man diesen Begriff auch so deuten, dass ihr die Erkenntnis zu Grunde liege, wonach die rechtlichen Regeln dem „gedeihlichen Zusammenleben in der staatlichen Gemeinschaft dienen“.
Wie sehen nun die Rückfallzahlen in Deutschland, unter Berücksichtigung des erwähnten „Resozialisierungsvollzuges“ aus ? Zum Stichtag 31.03.2006 (Stat. Bundesamt, http://www.destatis.de; Tabelle 4 „Strafvollzug“ der Fachserie 10 Reihe 1 „Ausgewählte Zahlen für die Rechtspflege“) waren 65% der Gefangenen vorbestraft.
Von diesen wiederum hatten 64,7% als schwerste Vorstrafe eine Freiheitsstrafe.
Wer einmal in Haft sitzt wird also nicht nur mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder dorthin zurück kehren (mancher kennt Falladas Satz „Wer einmal aus dem Blecknapf frisst, das Wiederkommen nicht vergisst“), er /sie hat auch nur geringe Chancen vor Ende seiner Haft auf Bewährung frei zu kommen (nur ca. 30% der Gefangenen kommen vor Vollbüßung der Strafe frei; vgl. Tröndle/Fischer, StGB-Kommentar, 54.A., § 57 Rz. 1).

Scheinbar fördert die Knastzeit weder Angst vor weiter Haft, noch die „Einsicht“, dass die Befolgung von Gesetzen einem „gedeihlichen Zusammenleben“ förderlich sein soll. Was könnte eine Erklärung hierfür sein ?

Meiner Ansicht nach hängt vieles mit dem Anti – Aufklärerischen Zustand unserer (Kapitalistischen) Gesellschaftsordnung zusammen. Verkörperte die Aufklärung in ihrem Kern den Anspruch auf Mündigkeit des Individuums oder um es mit Kant zu sagen: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (selbstverschuldet, weil der Einzelne zu faul oder zu feige ist zum Selber –Denken; unmündig, weil man sich seines Verstandes nicht ohne Leitung eines anderen bedienen kann), so würde Resozialisierung in aufklärerischem Sinne bedeuten, die Gefangenen anzuleiten, aus dieser selbstverschuldeten Unmündigkeit heraus zu treten. Freilich setze dies ein Gegenüber voraus, nämlich auf Seiten der Justiz, welches ebenso fähig wie willens ist, diesem Anspruch gerecht zu werden.

Allzu einfach wäre es, den Inhaftierten die (alleinige) Verantwortung für ihr Schicksal aufzubürden, denn der Strafvollzug in einem kapitalistischen Gefüge zielt gerade nicht auf Veränderung der leidmachenden Verhältnisse (die die Gefangenen in den Knast führten), sondern auf individuelle Lösungen: Ziel ist es geglättetes, reibungsloses Funktionieren des Individuums (hierzu vgl. Böhme in „Die Relevanz der Freudschen Psychoanalyse“ in Cee-Ieh- der Conne Island newsflyer, Mai 2008 (Nr. 154), S. 30-39;
http://www.conne-island.de).
Aber selbst an diesem Ziel scheitert, wie die hohe Zahl der Rückfälle belegt, die Gefängnisadministration.
Innerhalb des Vollzuges gelingt es (überraschender Weise ?) dem Justizpersonal das letztgenannte Ziel weitesgehend zu verwirklichen; die Mehrzahl der Gefangenen fügt sich reibungslos in den Haftalltag ein und kritisiert Mitgefangene die sich Opposition stellen.

Aber auf freien Fuß gesetzt dauert es of nicht lange und der/die Ex – Gefangenen steht wieder vor Gericht, denn eine Befreiung des Subjektes hat nicht stattgefunden. Und sie wird auch nicht stattfinden, solange sich nicht die gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse geändert haben.

Thomas Meyer- Falk, c/o JVA-Z. 3113, Schönbornstrasse 32, D- 76646 Bruchsal
http://www.freedom-for-thomas.de
http://freedomforthomas.wordpress.com




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last modified 23.11.2017 | webmaster