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Razzia in der JVA Freiburg – Intensivkontrolle im November

Am 18. November 2019, es war draußen noch dunkel, betraten drei Uniformierte meine Zelle in der JVA Freiburg und forderten mich auf mitzukommen. Ich dürfe nichts mitnehmen, es handele sich um eine „Intensivkontrolle“. Die drei Gefängnisbeamten eskortierten mich in den Keller der Anstalt, ich musste mich nackt ausziehen, nach dem Ankleiden ging es auf eine andere Station als zuvor.



Das System der Intensivkontrollen



Im Knast geht es darum die BewohnerInnen unter Kontrolle zu halten, dies schließt die jederzeitige Durchsuchung der Körper der Menschen ebenso ein, wie der Räume in denen sie leben. Körper, wie Räume werden als Objekte behandelt, die letztlich Gefahrenräume oder Gefahrenherde darstellen. In Freiburg wird bei einer Intensivkontrolle die Zelle versiegelt, danach wird in akribischer Arbeit von den Gefängnisbeamten die Zelle leergeräumt und alles , wirklich alles genauesten durchsucht und durch den Röntgenapparat geschoben, um auch bloß nicht zu übersehen.

Wenn diese Arbeit getan ist, kommen die Elektriker und die Installateure. Sogar das WC wird dabei abgeschraubt! Zumindest hier in Freiburg ist das Standard.



Intensivkontrolle in meinen Fall



Nun fand ich mich plötzlich auf dem ersten Stock wieder, die Zellentüre blieb zwar offen, aber in der Zelle befanden sich nur die regulären Einrichtungsgegenstände. So ging ich erst einmal zum Kaffeeetrinken zu einem langjährigen Mitverwahrten, der nun schon ins 18 Jahr der Sicherungsverwahrung geht, von ihm stammt der Wahlspruch „Hier wird gestorben– nicht entlassen“, eine Feststellung, die der Leiter der Einrichtung Thomas G. als unwahr, als falsch bezeichnet, das sei eine ganz falsche Darstellung!

Wie dem auch sei, in der Zwischenzeit hatten die beiden Beamten, die meine Zelle kontrollierten „gut zu tun“. Sie waren rund drei Tage beschäftigt meine Zelle zu razzen und eben zu leeren. Dabei nahmen sie alle Bücher mit, sämtliche Poster, Briefe, Unterlagen, Kleider und so weiter. Am ersten Tag bekam ich zumindest meinen Kühlschrank und die Lebensmittel wieder, nach dem sie durchsucht und durchleuchtet worden waren. Sukzessive bekam ich in den Folgetagen ein paar Sachen zurück, nachdem die kontrolliert worden waren, aber eben nur ein Teil.

Es sei verfügt worden, ich dürfe nur „nach Rahmenverzeichnis“ meine Sachen erhalten. In der Anstalt gibt es eine Liste von Sachen, die man besitzen darf und wenn man wie viele (z.B. 20 Unterhosen) besitzt, was nicht auf der Liste stehe, bekäme ich diese nicht zurück. Nur wenn es dann, wann auch immer, eine „Sondergenehmigung“ geben sollte. Das führt zu skurrilen Auswüchsen. Selbst das Nudelsieb bekam ich nicht mehr, das der Knastshop Massak Logistik GmbH verkauft, denn zwar steht das Sieb auf dessen Einkaufsliste, aber nicht im „Rahmenverzeichnis“. Und die beiden als „Mr.100%“ bekannten Beamten, die die Aushändigung durchführten, verwiesen darauf, dass es nun mal verfügt worden sei, ihnen die Hände gebunden seien, ich soll doch einfach einen Antrag stellen, dann werde man diesen prüfen und wenn alles seine Richtigkeit habe, erhielt ich „bestimmt“ die Sachen irgendwann wieder ausgehändigt. Für diese Unterlagen seien sie sowieso nicht zuständig.



Die Rückkehr in Zelle 133 und Gespräche mit Vollzugsleiter G.



Am Freitag, 22.11.2019 zog ich wieder in meine alte Zelle um und kam in ein Chaos, wie halt ein Raum nach einer Razzia so aussieht! Über Stunden beschäftigte ich mich dann mit dem putzen und einräumen.

Am Nachmittag wurde ich zu Vollzugsleiter G. gerufen, dem ich in deutlichen Worten meinen Unmut über diesen Umgang vermittelte. Woraufhin der Vollzugsleiter die Gelegenheit ergriff seine Sichtweise ausführlich dazulegen. Weder sei er ohne Empathie und plötzlich kam er irgendwie auf den Spruch „Hier wird gestorben – nicht entlassen“ und empörte sich über diesen, da der ja mal so was von falsch sei. Viel Raum nahmen auch die Zeitprobleme ein, die seinen Dienstalltag prägen würden.

Als Insasse sitzt man jedenfalls da und denkt sich: „Will da gerade der Mensch, der für die Haftbedingungen wesentlich Verantwortung trägt, um Verständnis für sein schweres Los werben?!“

Ich solle nun erstmal eine Liste von Sachen schreiben, die ich nicht ausgehändigt bekommen hätte und dann werde man mal weitersehen; und wenn sie mir zustehen, so der Herr G., dann bekäme ich sie auch wieder, aber all das braucht Zeit (zu seinen Zeitproblemen hatte er sich ausführlich genug geäußert). Was für ein herzensgütiger Mensch, nicht wahr!? Als Insasse bestellt und kauft man etwas, bekommt es ausgehändigt. Eines Tages fällt der Anstalt ein, man müsse eine Razzia machen und nimmt den Insassen alles weg- aber die Gefangenen dürfen ja dann gnädigerweise die „Wiederaushändigung“ beantragen. Fast können einem die Tränen angesichts dieser Großherzigkeit kommen.



Bewertung



Warum die Razzia? Das weiß ich auch nicht. Die Anstalt hat rechtlich jederzeit die Möglichkeit die Menschen und Zellen zu durchsuchen, sie muss das nicht mal begründen. Da alles was Buchstaben hat konfisziert wurde und nun von zwei hochdotierten Juristen der Anstalt persönlich durchgelesen und durchgesehen wird, kann man vermuten, sie hatten irgendwas Besonderes im Sinn. Es mag mit den Fällen von Shorty und Herrn H., über die kürzlich berichtete, zusammenhängen, oder auch andere Hintergründe haben.

Jedenfalls habe ich, da der weitere Vollzug in Baden-Württemberg sowieso nur auf ein Warten auf den Tod zulaufen würde, die Verlegung nach Bautzen beantragt, da in Sachsen enge Bezugspersonen leben. Besagter Vollzugsleiter steht diesem Ansinnen nicht abgeneigt gegenüber. Allerdings dauert die Prüfung so einer Verlegung Monate.

Aber zurück zur Intensivkontrolle, an der sich nämlich der wirkliche Status der gefangenen Menschen festmachen lässt. Die Sonntagsreden von der Würde der Gefangenen, dem Behandlungsvollzug, dem „therapeutischen Klima“, das insbesondere die Knast-PsychologInnen im Munde führen, erweisen sich als das was sie sind, als potemkinsche Dörfer. Der gefangene Körper ist ein Gefahrenherd. Und Gefahrenherde, die bekämpft man.

Privat- und Intimsphäre sind in Knästen Fremdworte. Mitunter ist die Rede von den traumatischen Folgen von Einbrüchen, denn Menschen, denen Einbrecher die Wohnung durchwühlt haben, nächtelang nicht schlafen können, sich nicht mehr „sicher“ oder auch „beschmutzt“ fühlen, weil fremde Finger ihre Wäsche oder Korrespondenz durchwühlt haben. Für Gefangene ist dieses Alltag!

Aber gut, es gibt viel zu viele Orte, ob in Deutschland oder sonst wo auf der Welt, wo es für Gefangene um das nackte Überleben geht. Dort werden Menschen körperlich schwer gefoltert. Da verbrennen Menschen in Polizeirevieren. Allerdings sollte nicht das schrecklichste Szenario der Maßstab sein, Vorgänge in hiesigen Gefängnissen zu bewerten.

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. Justizvollzugsanstalt (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

https://freedomforthomas.wordpress.com

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last modified 29.11.2019 | webmaster