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4 Jahre Isolationshaft

Am 3.8.2002 werde ich vier Jahre am Stück in deutschen Gefängnissen in Isolationshaft, bzw. in "Einzelhaft" wie es laut Strafvollzugsgesetz (StVollzG) heißt, verbracht haben und davor saß ich von Oktober 1996 bis Mai 1998 in Isolation.

Im Folgenden werde ich in einem ersten Teil die in Deutschland geltenden gesetzlichen Bestimmungen für die Einzelhaft erläutern (I.), in einem zweiten Teil, werde ich die Situation aus dem Blickwinkel der Menschenrechtskonvention beleuchten (II.), um sodann im dritten und letzten Teil von meinen eigenen Erfahrungen zu berichten (III.) - überwiegend werde ich die männliche Anrede wählen, um den Text lesbarer zu machen; gemeint sind aber stets auch weibliche Gefangene!

I.)Isolationshaft nach dem Strafvollzugsgesetz

Das deutsche Strafvollzugsgesetz regelt in den §§88 und 89 die so genannten "besonderen Sicherungsmaßnahmen". Für den Regelfall wird nämlich, im Gegensatz zu den Zeiten z.B. Ende des 19. Jahrhunderts, von "Gemeinschaftshaft" ausgegangen.
Gefangene in Strafhaft sollen gemeinsam arbeiten und Freizeitaktivitäten in Gemeinschaft durchführen.
Gehen jedoch auf Grund des "Verhaltens oder auf Grund seines seelischen Zustandes in erhöhtem Maße Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr des Selbstmordes oder der Selbstverletzung" aus, so können die Anstaltsleiter gegen Insassen "besondere Sicherungsmaßnahmen" verhängen.
Dabei sieht §88 Abs.2 Nr.3 StrVollzGes eine kurzfristige Absonderung, z.B. in einem akuten, nur wenige Stunden dauernden Krisenfall vor, wohingegen §89 StrVollzGes eine "unausgesetzte Absonderung eines Gefangenen" auch dauerhaft gestattet, sofern diese "unerlässlich" ist.
Nach der bundesdeutschen Rechtssprechung hat der Anstaltsleiter zu prüfen, ob nicht weniger einschneidende Maßnahmen genügen, außerdem fordert das Bundesverfassungsgericht, dass stets das Verhältnismäßigkeitsgebot beobachtet wird.
Einzelhaft bedeutet, dass der Gefangene räumlich von den anderen Gefangenen dauerhaft getrennt wird; je nach Stufe der Isolation, wird ihm auch die Teilnahme am gemeinschaftlichen täglichen Hofgang (Dauer: 60 Minuten) und am wöchentlichen Gottesdienst verwehrt. Der Gefangene hat in diesem Fall unmittelbaren Kontakt nur mit dem Vollzugspersonal; der Briefverkehr wird nicht beschränkt, jedoch strikt überwacht.
In der Regel geht die Verhängung von Einzelhaft mit umfangreichen anderen Sicherungsmaßnahmen einher, als da wären: Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen (bspw. Anstatt dauerhaft einen Rasierer oder eine Nagelschere besitzen zu "dürfen", werden dem Insassen diese Artikel nur für 15-30 Minuten überlassen und nach Gebrauch sofort aus der Zelle entfernt), Fesselung vor Verlassen des Haftraumes (der Gefangene darf sich außerhalb der Zelle nur gefesselt bewegen, Kürzung der Besuchsdauer (wg. Erhöhten Personaleinsatzes, so die Standartbegründung, seinen nur 60 oder 90 Minuten Besuch möglich; die Modalitäten variieren von Anstalt zu Anstalt.), Verbot "gefährliche" Musikinstrumente zu besitzen und manches mehr.

Geht die Einzelhaft über den Rahmen von 3 Monaten hinaus, so muß gemäß §89 II Satz 1 StrVollzGes die Zustimmung des jeweiligen Landesjustizministeriums eingeholt werden, wobei mir kein Fall bekannt ist, in welchem das Ministerium diese Zustimmung verweigert hat.
Vielfach wird (sogar in Gefangenenkreisen) davon ausgegangen, dass Einzelhaft zeitlich begrenzt sein müsse und auch in der Literatur wird, unter Berufung auf einen "Alternativ-Entwurf" zum StrVollzGes von 1973 gefordert, dass diese Form der Haft maximal 4 Wochen im Jahr dauern dürfe.
Im geltenden StrVollzGes und in der Praxis bleiben solche Forderungen unerhört. So sitzen Gefangene auch schon mal 5, 7 und mehr Jahre in Isolationshaft.
Zugegebenermaßen handelt es sich dabei um einen kleinen Personenkreis von Insassen.

II.) Isolationshaft aus Sicht der Menschenrechte

Artikel 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte von1950 verbietet die Folter und die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe.
Speziellere Vorschriften bezüglich gerade der hier interessierenden Isolationshaft finden sich in der EMRK nicht, weshalb Gefangene nach Durchlaufen des innerstaatlichen Rechtsweges (Land- /Oberlandes- und schließlich Bundesverfassungsgerichts) sich nur unter Berufung auf diesen Artikel 3 an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden können.

In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, stellte die Europäische Kommission für Menschenrechte in Straßburg, aufgrund der Eingaben von Gefangenen der RAF Grundsätze auf, wann von Isolationsfolter und wann von "legitimer" Einzelhaft nach Ansicht der Kommission zu sprechen sei.
Vorauszuschicken ist, dass die Kommission und der Gerichtshof bislang keinen Fall als Isolationsfolter anerkannt haben, sondern stets den beklagten Staaten recht gaben; was wohl ernstlich niemanden verwundern dürfte.
In der Entscheidung vom 8.7.78 (Az:7572/76, ua., abgedruckt in Europäische Grundrechtezeitschrift, 1978, S.314ff) führt die oben erwähnte Kommission aus, dass Baader, Ensslin und Raspe "außergewöhnlichen Haftbedingungen" ausgesetzt waren, diese jedoch erforderlich seien um ihrer "Gefährlichkeit angemessen" zu begegnen.
Nach der -bis heute gültigen- Rechtssprechung aus Straßburg, könne von einem Verstoß gegen Art. 3 EMRK erst bei einer auf Zerstörung der Persönlichkeit gerichteten Einzelhaft-
Vollzug gesprochen werden, welche mit einer Sinnesisolation und "einer völligen sozialen Isolierung" verbunden ist.
Eine Sinnesisolation liege jedoch schon dann nicht mehr vor, wenn dem Gefangenen z.B. ein Zellenfenster, Bücher und ein Radio zur Verfügung stehen.
Und zum Problem der sozialen Isolierung wurde lapidar festgestellt, dass -lediglich- eine "relative soziale Isolierung", jedoch keine "tatsächliche Zellenisolierung" vorgelegen habe, da sie ihre Anwälte und Angehörigen zu Besuchen empfangen durften.
Kann zudem der Staat "belegen", dass sein Ziel nicht die Zerstörung der Persönlichkeit oder Widerstandskraft sei, so hätten Maßnahmen wie die der Isolationshaft keinen unmenschlichen oder erniedrigenden Charakter.

Gemessen an diesen Maßstäben und eingedenk der Tatsache, dass diese europäische Instanz durch Staaten Europas finanziert wird, dürfte es ein aussichtloses Unterfangen sein, dort bescheinigt zu bekommen, dass die Isolationshaft gegen Art. 3 EMRK verstößt.

III.) Eigene Erfahrungen

Wegen des Verdachts der erhöhten Fluchtgefahr, was auch den Verdacht einschließt ich könnte Geiseln nehmen, eine Meuterei initiieren oder aufgrund der mir attestierten Aversion gegen diesen Staat und die Justiz, Anstaltsjuristen angreifen, sitze ich seit mehreren Jahren in Isolationshaft; von den fast 6 Haftjahren, sitze ich nun 5 Jahre 9 Monate in Einzelhaft, davon einige Jahre auch mit der eingangs erwähnten "Fesselung vor Verlassen der Zelle". Tatsächlich verletzt habe ich während der Haft niemanden, weshalb die JVA sagt, ihr sei nicht zumutbar, erst ein entsprechendes Ereignis abzuwarten. Ich betrachte es als mein legitimes Recht mir meine Freiheit zu erkämpfen; die Justiz betrachtet solche Gedanken, sowie u.a. Äußerungen, dass der revolutionäre Kampf notwendiger denn je ist, als Beleg für meine "Gefährlichkeit" und "Uneinsichtigkeit".
Anfang Juli 2002 wurde ich nun -erneut- aus "Sicherheitsgründen" in die JVA Stuttgart-Stammheim überführt, da sich in 4 Jahren Isolation in Bruchsal meine Einstellungen nicht geändert hätten, ich mich zu vertraut mit den Betriebsabläufen hätte machen können und man zudem die dortige Sicherheitszelle sanieren wolle. Für 3 Monate, so die Mitteilung, müsse ich in Stammheim bleiben und sitze hier nun in jenem Sicherheitstrakt, in welchem ich schon 1996 bis 1998 saß.
Folgen der Isolation die ich bei mir spüre, sind: geringe Frustrationstoleranz, hohe Stressanfälligkeit, latente Konzentrationsschwierigkeiten bei Besuchen von GenossInnen und FreundInnen. Das Zeitgefühl beginne ich ebenfalls zu verlieren; so kann ich fast gar nicht ohne Zuhilfenahme eines Kalenders feststellen, ob etwas vorgestern, vor einer Woche, einem Monat oder einem Jahr passierte. Der Mensch wird zurückgeworfen auf sich selbst, befindet sich in einem ständigen inneren Dialog, was dann die Konzentration bei Besuchen erheblich erschwert, da die Aufmerksamkeit plötzlich nach außen gerichtet werden muß.

Trotz dieser negativen Auswirkungen, leide ich nicht unter der Isolierung, denn einerseits habe ich einige Briefwechsel und die dadurch vermittelte wohltuende Solidarität und zum anderen, denke ich an all die inhaftierten GenossInnen weltweit, die unter Bedingungen einsitzen, bei denen es uns schaudern würde. Was sie aushalten müssen, kann mit hiesigen Haftbedingungen nicht verglichen werden.

Beschwerte ich mich anfangs massiv über die Einzelhaft, so bin ich heute davon abgerückt, denn im Vergleich zu anderen Staaten würde es eine unzulässige Relativierung des Begriffs Isolationsfolter bedeuten, würde man die Zustände in Deutschland hinsichtlich der Einzelhaft als Folter klassifizieren.

Dessen ungeachtet ist Einzelhaft ein Angriff auf die Menschenwürde!




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last modified 21.11.2017 | webmaster