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Der Kopftuchstreit – Wie seriös ist die Argumentation der baden-württembergischen Kultusministerin?

Vor wenigen Monaten verkündete das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe ein Urteil zur Frage, ob Lehrerinnen das tragen eines Kopftuches verboten werden dürfe oder nicht ( Homepage des BVerfG, Az. 2 BvR 1436/02, Urteil vom 3.6.2003). Anfang November 2003 legte die baden-württembergische Kultusministerin Schavan (CDU, bekennende Katholikin) den vom BVerfG angemahnten Gesetzentwurf vor, mit welchem künftig muslimischen Lehrerinnen das Kopftuch zu tragen verwehrt wird.

Denn das BVerfG stellte fest, dass die Entscheidung Schavans vom Juli 1998, Fereshda LUDIN nicht als Lehrerin zu verbeamten, da diese aufgrund ihres Glaubens ein Kopftuch auch in der Schule tragen wolle, mangels gesetzlicher Grundlage verfassungswidrig ist.

Im folgenden soll die Doppelzüngigkeit der Argumentationsweise von SCHAVAN näher dargestellt werden; zuvor jedoch einige einführende Worte zur Religion als solcher.

Michael BAKUNIN (1814 - 1876, Anarchist) schrieb in "Gott und der Staat":
"Wenn Gott existiert, ist der Mensch ein Sklave; der Mensch kann und soll aber frei sein: Folglich existiert Gott nicht. Muss man daran erinnern, wie sehr und wie die Religionen die Völker verdummen und verderben? Sie töten in ihnen die Vernunft, dieses Hauptwerkzeug der menschlichen Befreiung, und führen sie zum Schwachsinn, der wesentlichen Voraussetzung ihrer Sklaverei."
Und MARX sprach von der Religion als Opium des Volkes, mit dem die Herrschenden die Unterdrückten aufs Jenseits vertrösten, um sie im Diesseits besser ausbeuten zu können.

Seit dem 11. September 2001 steht im Mittelpunkt westlichen Interesses der "potentiell terroristische Islamismus", in den USA, in Groß-Britannien, anderen europäischen Staaten, auch in Deutschland, werden Muslime durch die Repressionsbehörden verfolgt und von einigen Menschen auf der Straße geschlagen, getreten, misshandelt. Hintergrund für diese Entrechtungen ist keineswegs eine fundamentale Religionskritik der Akteure, sondern es geht um eine "Verteidigung" des Christentums, auch unter Einsatz der westlichen Armeen. Während zu Zeiten der Kreuzritter mit Pferden im Morgenland eingefallen wurde, bedient man sich heutzutage der Bomber, Panzer und HighTech-Soldaten.

SCHAVAN ist eine fundamentalistische Katholikin und ihr nun vorgestellter, oben erwähnter Gesetzentwurf spricht eine beredte Sprache. Während islamische Kopftücher strikt verboten werden (sollen), dürfen Christinnen und Christen weiterhin offen ihr Kreuz am Kettchen tragen, Nonnen mit ihrem Habit (welcher übrigens sinnigerweise auch die Haare bedeckt!) unterrichten und Juden dürfen ihre Kippa tragen.

SCHAVAN begründet dies mit der christlichen Tradition und den "abendländischen" Werten, die insbesondere auch in der baden-württembergischen Verfassung zum Ausdruck kämen. Dem gegenüber sei das -islamische- Kopftuch ein Zeichen der Unterdrückung der Frau und in einem aufgeklärten, demokratischen Staat, der zudem an den Schulen zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet sei, nicht akzeptabel.

Der Laie staunt und wundert sich! SCHAVAN (Mitglied u.a. im Deutschen Zentralkomitee der KatholikInnen) verteidigt eine chauvinistisch und antisemitisch geprägte Religion, nämlich das Christentum im allgemeinen und den römischen Katholizismus im speziellen, unter Hinweis darauf, dass das Kopftuch der Gleichberechtigung von Frau und Mann widerspräche.

Was lesen wir z.B. im Neuen Testament im KOLOSSER-Brief:
"Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter, wie sich's gebührt im Herrn" (Kapitel 3, Vers 18).
Noch deutlicher wird es im 1. Timotheus-Brief gesagt:
"Eine Frau soll in der Stille lernen, in aller Unterordnung. Das Lehren aber gestatte ich einer Frau nicht, auch nicht, dass sie über den Mann herrscht.“ (Kapitel 2, Vers 11-12).
Diese Zitate mögen, was die Rolle der Frau angeht, genügen.

Hinsichtlich der antisemitschen Grundhaltung, sei auf das Johannes-Evangelium (Kapitel 8, Vers 44) verwiesen, dort sagt Jesus zu den Juden, ihr Vater wäre der Teufel, weitere Belege finden sich z.B. im Römerbrief (Kapitel 2, Verse 17ff; Kapitel 3, Verse 9-14).

Und dies alles gehört auch zum Weltbild der selbst ernannten Kriegerin zum Schutze entrechteter Frauen!
Offenbar toleriert SCHAVAN aber anstandslos, dass ihr Papst bis heute den Frauen den Zugang zum Priesteramt versagt, Homosexuelle schmäht und durch seine völlig weltfremde Sexualmoral für die Verbreitung von AIDS, gerade in Afrika, zumindest mitverantwortlich ist.

Dieser heutige Beitrag soll sicherlich kein Plädoyer für das Kopftuch sein, wer dies glaubt, hat mich missverstanden. Es geht vor allem darum, die christlich-deutsche Ideologie zu bekämpfen (so auch: „Gegen die Strömung“, F./a.M., Ausgabe August/September 2003), welche sich in solchen Personen wie jener Kultusministerin manifestiert. Denn ihnen geht es um eine Revitalisierung des Einflusses der christlich-katholischen Kirchen, welche im Verlaufe des 20. Jahrhunderts an Macht erheblich verloren.

Sigmund FREUD (der Begründer der Psychoanalyse) hielt Gott für eine infantile Illusion, die uns einen übermächtigen Vater vorgaukelt, der für uns sorgt und uns befähigt, mit dem Leiden der Welt fertig zu werden.

Aber es ist an uns selbst, für uns und unsere Mitmenschen zu sorgen und das Leiden der Welt in den Griff zu bekommen, insofern stehen Personen wie SCHAVAN für Unfreiheit, Unselbständigkeit, Unterdrückung!




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last modified 21.11.2017 | webmaster