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Knast und Schadenersatz

Knast und Schadenersatz - über erfolgreiche Zivilklagen

Im Folgenden berichte ich über drei interessante Entscheidungen der 2. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe, welche von Bruchsaler Strafgefangenen erstritten wurden. Für Gefangene, die in der Regel mittellos sind, ist es besonders schwierig, die Gefängnisse auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen, denn im Bereich des so genannten "Staatshaftungsrechts" (Artikel 34 Grundgesetz i.V.m. § 839 BGB) herrscht Anwaltszwang und der Prozess ist in 1. Instanz vor einem Landgericht zu führen. Des Weiteren wird nicht etwa direkt der Anstaltsleiter verklagt, sondern dasjenige Bundesland, in welchem die Haftanstalt ihren Sitz hat. Und das Land wird - hier in Baden Württemberg - von der Generalstaatsanwaltschaft vertreten.

Nun zu den konkreten Fällen:


Fritz G. - und die Einkaufshelfer-Affäre I.

Herr G. verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe und war als "Einkaufshelfer" tätig, d.h. er musste verschiedene Hilfstätigkeiten im Zusammenhang mit dem zweimal monatlich in der JVA stattfindenden Basar-Einkauf der Firma REWE erbringen.
Im Januar 2003 erstattete die Anstalt, ohne Herrn G. zu informieren oder anzuhören, Strafanzeige wegen Verdachts des versuchten Diebstahls. Er soll versucht haben, 10 Päckchen (= 1 Stange) Tabak aus dem Einkaufsraum zu stehlen. Als im Mai 2003 die Staatsanwaltschaft deswegen einen Strafbefehl beantragte, wurde Herr G. im Juni 2003 von der JVA aus seinem Job entfernt (auch dies, ohne ihn überhaupt erstmal anzuhören).

Da Herr G. unschuldig war, erhob er Einspruch gegen die "Kündigung" und den Strafbefehl und siegte auf ganzer Linie. Das Amtsgericht sprach ihn frei und die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts hob die "Kündigung" auf.

Aber erst Ende 2005 wurde Herr G. von der JVA wieder als Einkaufshelfer in seine vorherige Tätigkeit eingeteilt; er hatte - summa summarum - knapp 1.900 Euro Einkünfte verloren, da er
2 1/2 Jahre nicht für REWE arbeiten durfte.

Mit Beschluss vom 19.1.2006 (Az: 2 O 256/04) gewährte das Landgericht Karlsruhe Prozesskostenhilfe für eine Schadenersatzklage für diesen finanziellen Schaden, sowie für eine Feststellungsklage, wonach ihm auch eventuell erst noch künftig entstehender Schaden zu ersetzen sei. Der Erfolg einer Zivilklage sei wahrscheinlich.


Peter L - und die Einkaufs-Affäre II

Auch Herr L. war als Einkaufshelfer tätig, genau wie Herr G., nur wurde ihm nicht wegen eines angeblichen Diebstahl-Verdachts gekündigt, sondern weil er seine Stellung missbraucht habe, um den Kaufmann verbotenerweise zur Lieferung von Kartoffeln (!) zu veranlassen, weshalb seine Verteidigerin, Rechtsanwältin Kunisch (München) von der "Kartoffel-Affäre" sprach.

Auf seine Klage hin, hob schließlich das Oberlandesgericht Karlsruhe die "Kündigung" auf, und nun begehrt Herr L. den Ersatz des ihm entgangenen Lohns in Höhe von ca. 2.900 Euro.

Das erwähnte Landgericht Karlsruhe gewährte mit Beschluss vom 19.12.2005 (Az: 2 O 462/05) auch ihm Prozesskostenhilfe.

Die Prozesskostenhilfe hat zur Folge, dass der Kläger keinen - wie eigentlich üblich - Vorschuss auf Gerichtskosten zu leisten hat und der beigeordnete Anwalt, wir erinnern uns, es herrscht Vertretungszwang durch einen Anwalt, seine entstehenden Gebühren aus der Staatskasse erhält.


Till H. - und die menschenunwürdige Haft

Herr H. gelangte schon einen Schritt weiter als die Mitgefangenen G. und L., denn in seinem Fall wurde, nachdem man ihm Prozesskostenbeihilfe gewährte, nunmehr nach mündlicher Verhandlung, am 24.1.2006 "im Namen des Volkes" das Urteil verkündet: "Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger
3.000 Euro
nebst Zinsen (...) zu bezahlen" (Az: 2 O 127/04).

Was war geschehen? In der JVA Bruchsal war Herr H. vom 10.12.2002 bis 19.3.2003 (= 99 Tage) in einer Einzelzelle untergebracht, welche wegen der chronischen Überbelegung mit einem weiteren Mitgefangenen belegt war. Die Toilette war nur mit einem Vorhang vom übrigen Haftraum abgetrennt; eine gesonderte Lüftung gab es nicht. Das zuständige Strafgericht bescheinigte ihm, dass dies menschenunwürdig war.

Hierauf strengte er eine Zivilklage an und erzielte diesen Erfolg - aber das Land wird wohl in Berufung gehen, wobei die Aussichten für Herrn H. gut sind, dass er auch dort obsiegt.

Die 2. Zivilkammer betonte, dass Herr H. so nachhaltig in seinem Recht auf menschenwürdige Unterbringung verletzt worden sei, dass hierfür eine Wiedergutmachung durch Geldentschädigung geboten ist.


Resümee

Wie man sieht, gibt es durchaus (Teil-) Erfolge auch auf dem Zivilrechtsweg für (Straf-) Gefangene. Jedoch ist in jedem Fall ein langer Atem erforderlich. Herr H. streitet sich seit 2002, wie Herr L., mit der Anstalt und den Gerichten, Herr G. seit Mitte 2003. Verfahrensdauern von drei, vier und mehr Jahren sind eher die Regel, als die Ausnahme. Aber erst wenn die Länder ihre Beamten schlussendlich in Regress nehmen, also jenen, die ersichtliche Fehlentscheidungen zu verantworten haben, die erstrittenen Beträge vom Gehalt abziehen, dürfte sich, und dies auch nur vielleicht, etwas ändern.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA - Z. 3117, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
homepage: http://www.freedom-for-thomas.de




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last modified 23.11.2017 | webmaster