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Summertime - im Knast
Wer kennt ihn nicht, den musikalischen Klassiker von Gershwin: "summertime ... fishs are jumping ... and the cotton is high..."!? Es war wirklich heiß in den letzten Wochen, die Gefängnisjuristin X, über die schon vielfach berichtet wurde (zuletzt: "Der Knast und das Rechtsberatungsgesetz von 1935 im 21. Jahrhundert") brütete im Büro, vielleicht die Hemdsärmel aufgekrempelt, starrte den Ventilator an, verscheuchte hin und wieder eine Fliege vom Bildschirm... Wir sehen sie da sitzen, schwitzend und vielleicht Gershwin vor sich hinsummend: "... fishs are jumping ... and the cotton is high", vom baldigen Urlaub träumend, Palmen, Meer....
Am 8. Juli 2003 jedoch griff sie zur Feder und verbot mir den gemeinsamen Wochenendspaziergang im Gefängnishof mit einem Mitgefangenen, da ich diesem verbotene Rechtsberatung erteilt und dafür sogar - anlässlich eines Sportfestes (am 5. und 6. Juli), zu dem ich wegen der Isolationshaft, in der ich sitze, keinen Zutritt hatte - Esswaren als Gegenleistung erhalten hätte, die mir der Gefangene durch Wärter bringen ließ.
Halb Deutschland lag in Parks, an Seen, Freibädern und ließ sich von der Sonne bräunen, oder saß müßig träumend unter Bäumen, somnambul (=mondsüchtig) glücklich, der tätigen Welt abhandengekommen. Nicht so Frau Oberregierungsrätin X, schließlich will das Urlaubsgeld irgendwie verdient sein und so verteidigte sie furios ihre Verfügung vom 8. Juli gegenüber dem zwischenzeitlich von mir eingeschalteten Landgericht Karlsruhe. Auf mehreren Seiten porträtierte sie mich als querulatorischen Gefangenen, der nun nicht nur seine Aversion durch Verfassen von Schriftsätzen in eigener Sache auslebe, sondern der nun sogar wage, einem Mitgefangenen behilflich zu sein bei einer strafvollzugsrechtlichen Angelegenheit.
"Summertime, my daddy is rich an mum is good looking, summertime ...". Ja, nun war ich am Zug und durfte schwitzen ob der Ausführungen von Frau X; als erstes attestierte ich ihr, dass ihr Schreiben ans Gericht frei sei von jeglicher juristischer oder logischer Stringenz, d.h. Beweiskraft. So hatte ich beispielsweise keineswegs Esswaren als Belohnung erhalten, vielmehr hatte die Gefangenenvertretung aus Solidarität allen in Einzelhaft sitzenden Gefangenen ein bisschen was zu Essen gebracht an jenem 5. und 6. Juli. Und selbst wenn ich Rechtsberatung erteilt haben sollte, so wäre dies keine verbotene Rechtsberatung gewesen aus formaljuristischen Gründen. Soweit Frau X, fuhr ich fort, der Gefangenenvertretung bescheinige, dass Gesten der Solidarität nicht angebracht seien, falle dies auf sie selbst zurück, anstatt in "kritikasterhafter" Weise diese Gefangenen und mich abzuqualifizieren, sollte man uns viel eher angesichts praktizierter Solidarität belobigen :)
Der Vorsitzende Richter SCHMIDT vom Landgericht dachte vielleicht an Woody Allen, der einmal fragte: Wenn sich das Universum unaufhörlich ausdehnt, warum bekomme ich nie einen Parkplatz? Jedenfalls wischte er die Verfügung von Frau X vom 8. Juli am 22. Juli vom Tisch, da sie rechtswidrig sei. Von verbotener Rechtsberatung sei nichts zu erkennen, diese sei erst gegeben, falls ich mehrfach Rechtsrat erteilen würde. dass im übrigen Gefangene sich im Gespräch zwangsläufig über juristische Sachverhalte austauschen, läge auf der Hand und sei auch nicht verwerflich. Indirekt ließ der Richter erkennen, dass er vermutet, die JVA, möglicherweise im speziellen Frau X, könnte ein Problem damit haben, wenn deren Verfügungen gerichtlich beanstandet werden; er jedenfalls, d.h. der Richter, könne gut damit leben, wenn von Zeit zu Zeit Beschlüsse des Gerichts durch die nächste Instanz aufgehoben würden.
Summertime ... Das Sommertheater wird sicher fortgesetzt und im Herbst und Winter folgen weitere Vorstellungen. Wir dürfen auf die kommenden Inszenierungen gespannt sein.
P.S.: Reklamationen wegen miserabler Leistungen der Regisseurin können leider nicht berücksichtigt werden und an der Abendkasse gibt es kein Geld zurück :)
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