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Knast: Fragwürdige Verträge

Durch die Medien geistert das Bild vom Hotelvollzug, schauen wir uns doch einmal die Justizvollzugsanstalt Bruchsal (JVA) an und ihr Gebaren. Kühlschränke dürften in knapp 100% der Haushalte in Deutschland stehen, nicht so im Strafvollzug, und so müssen die meisten InsassInnen ihre Sachen auf das Fenstergitter (zwecks Kühlung durch die Außenluft) stellen - was aber nur in der kalten Jahreszeit Sinn macht.

Ab 1.12.03 bietet eine Fremdfirma in der JVA Bruchsal mehrere Kühlschränke an, welche aus jeweils zwölf verschließbaren Kühlfächern bestehen. So weit so gut. Während bspw. in der bayrischen JVA Straubing derartiges seit Jahren kostenlose Praxis ist (denn zu einem menschenwürdigen Vollzug zählt wohl auch, Lebensmittel durch Kühlung vor dem Verderb zu schützen), sollen die Bruchsaler Häftlinge zahlen für ihre Kühlmöglichkeit.

Mit Billigung des Leiters der JVA werden von der Firma den Gefangenen ultimativ - nach dem Motto: Friss oder stirb - folgende Bedingungen diktiert, so sie denn ein Kühlfach mieten wollen:


1)Kaution von 15 Euro für den Kühlfach-Schlüssel;
2)Mindestmietdauer: 6 Monate;
3)Mietvorauszahlung für 6 Monate;
4)ca. 5 Euro Monatsmiete;
5)wer vor Ablauf der vorausbezahlten 6 Monate in eine andere JVA verlegt oder entlassen, oder in Einzelhaft genommen wird, verliert jegliche Ansprüche, d.h. eine Rückzahlung zu viel gezahlter Miete erfolgt nicht.


Die Anstaltsleitung ist mich hochkarätigen JuristInnen besetzt (u.a. auch einem ehemaligen Staatsanwalt), es dürften also rudimentäre Kenntnisse des Zivilrechts vorausgesetzt werden können. Bei dem Vertrag, den die Insassen schließen müssen, sollten sie eine Box mieten (wollen), handelt es sich meines Erachtens um eine zumindest in Teilen möglicherweise sittenwidrige Vereinbarung. So verbieten die §§ 305 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) allgemeine Geschäftsbedingungen, die den Verbraucher unangemessen benachteiligen. § 138 BGB erklärt darüber hinaus Rechtsgeschäfte, die „gegen die guten Sitten“ verstoßen, für nichtig.

Ob eine Monatsmiete von ca. 5 Euro angemessen ist, sei dahingestellt, dass aber eine Rückforderung von zu viel gezahlter Miete im Falle z.B. vorzeitiger Entlassung/Verlegung ausgeschlossen wird, dürfte einer näheren rechtlichen Prüfung nicht Stand halten. Dennoch schreitet die Anstaltsleitung, welche gegenüber den in rechtlichen Dingen unerfahrenen Gefangenen auch eine Fürsorgepflicht hat, nicht ein.

Weshalb sollen die Gefangenen eigentlich überhaupt zahlen müssen? Die Anstalt ist verpflichtet, für die Gesunderhaltung der Insassen zu sorgen, dazu dürfte auch die Verpflichtung zählen, ihnen die Möglichkeit der kostenlosen Kühlung ihrer verderblichen Lebensmittel einzuräumen, denn von arbeitenden Gefangenen darf die Justiz qua Gesetz keinerlei Haftkosten erheben (vgl. § 50 StrVollzGes. i.d.F. des § 199 Nr. 3 StrVollzGes)!


Wer möchte, kann sich an folgende Stellen wenden und schriftlich um Aufklärung und Abhilfe ersuchen (die Eingaben sind kostenfrei):

a)Landtag von Baden-Württemberg
-Petitionsausschuss -,
Konrad-Adenauer-Str. 3
D-70173 Stuttgart
Telefax: 0711 - 2063540
e-mail: petitionen@landtag-bw.de

b)Frau Justizministerin von Baden-Württemberg
Postfach 103461, D-70029 Stuttgart
Telefax: 0711 - 2792344
e-mail: poststelle@jum.bwl.de

Schreiben von „draußen“ dürften vielleicht eher etwas bewirken, als wenn sich vereinzelt Gefangene beschweren.




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last modified 23.11.2017 | webmaster