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3 Monate Isolation in JVA Stammheim

I. Vorbemerkung


Auf einem Internetforum veröffentlichte vor einiger Zeit ein Genosse seinen Erfahrungsbericht über "8 Tage Stammheim" (vgl. http://www.projektwerkstatt.de)
d.h. seine Zeit im berüchtigten Stammheimer Knast.
Ich war nun im Sommer 2002 drei Monate in Isolation in selbiger Haftanstalt und möchte im folgenden davon berichten.


II. Zur Vorgeschichte


Seit mehreren Jahren sitze ich in strenger Einzelhaft, bzw. Isolation, da die Justiz Flucht, Ausbruch und ähnliches fürchtet. Von September 1998 bis Juli 2002 saß ich unter Isolationsbedingungen in der JVA Bruchsal, als man mir eröffnete, ich würde am Folgetag, dem 04.Juli 2002 nach Stammheim für die Dauer von drei Monaten deportiert, da ich als "hochgefährlicher Gefangener" gelte, der nun in 4 Jahren Einzelhaft die Gelegenheit gehabt hätte Schwachstellen im Vollzug in Bruchsal zu entdecken, welche eine Flucht erleichtern könnten. Mein nicht-beleidigendes Verhalten und der Umstand, daß ich noch niemanden angegriffen hätte sie zu meinen Ungunsten, da rein taktisch motiviert zu bewerten, so die JVA Bruchsal. Hierzu stellte mein Verteidiger mir gegenüber in einem Brief fest, daß er einen "größeren Schwachsinn noch nie gelesen" habe.


Mir wurde mitgeteilt, daß ich "nur" drei Monate in Stammheim verbleibe, da sich der dortige Anstaltsleiter weigere, mich länger aufzunehmen.


III. Der Transporttag


Am Morgen des 4.Juli 2002 wurde ich mitsamt meiner privaten Habe auf die "Kammerverwaltung" (dort werden Transporte abgewickelt und die Privatsachen von Gefangenen verwahrt) Bruchsal gebracht, konnte zwei kleine Kartons mit wichtigen Unterlagen und Büchern zusammenpacken. Die Beamten der Sicherungsgruppe die den Transport durchführten, interessierten sich sodann für meine Mund-/Achselhöhlen und das Gesäß; will heißen: es erfolgte die obligatorische und erniedrigende Durchsuchung des Körpers (Klage hiergegen ist bei Gericht anhängig).
Mit frischen Anstaltskleidern versehen, wurde ich "gut" verschnürt an Händen und Füßen gefesselt in den VW-Bus gesetzt & belehrt, daß bei Fluchtversuch geschossen werde.
Eingeklemmt zwischen grimmig dreinblickenden, paramilitärisch gekleideten Wärtern ging es dann nach Stammheim.


IV. Die Ankunft


Wie ein Monolith erhebt sich der 8.stöckige Bau des berühmten und berüchtigsten Gefängnisses Deutschlands, welches "Vorbild" für viele andere Gefängnisse in Europa, nicht zuletzt auch in der Türkei war und ist, da es geeignet ist, die Gefangenen untereinander zu isolieren.


Am Stadtrand, auf der einen Seite von Weizenfeldern umgeben, tauchte also das Gefängnis auf und nach dem Durchfahren diverser Tore stand dort schon ein Rudel Bediensteter.
Da ich von 1996 bis 1998 schon einmal in Isolationshaft in Stammheim saß, erkannte ich das ein oder andere Gesicht.


Die Fesselung wurde abgenommen und man steckte mich für 30 Minuten in eine normale Einzelzelle, bis meine Kartons ausgeladen waren. Auf der Kammerverwaltung gab es dann die ersten Diskussionen, da man mir antifaschistische Aufkleber (z.B. Antifaschist der Hakenkreuz zerschmettert) vorenthielt. Als ich den Wärter nach seinem Namen fragte, wollte er mir diesen nicht nennen.


Mir wurde ein Fernsehgerät angeboten und ich nahm dieses an, denn die Anstaltsleitung in Bruchsal verweigert mir seit Jahren ein TV-Gerät und ich wollte mal sehen, was sich in den letzten Jahren so getan hat. Ausgestattet mit Anstaltswäsche & Plastikgeschirr ging es dann in das "Sicherheits-Gängle" im Erdgeschoß.


V. Der Sicherheitstrakt


Neben dem bekannten "7.Stock" (dort saßen in den 70?er u.a. Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Gudrun Ensslin von der RAF), gibt es noch im Erdgeschoß eine Sicherheitsabteilung. Hinter einem Doppelgitter sind 5 Isolationszellen.


Statt Schränken gibt es in den Zellen nur ein Metallregal, das Bett ist nicht aus Metall, sondern Hartplastik, die Zellen haben einen eigenen Stromkreis (findige RAF-Gefangene hatten in den 70?er Jahren das Stromnetz als Kommunikationsanlage eingesetzt), die Fenster sind verstärkt gesichert.
Seit meinem letzten Aufenthalt wurden die Zellen renoviert und waren nun -steril- gekachelt.
Das WC war aus Edelstahl, ebenso das Waschbecken.


Da stand ich nun, meine wenigen Habseligkeiten und eine leere Zelle; wie schon öfters in den vergangenen Jahren begann ich also meine Sachen in den Regalen zu verstauen, öffnete das Fenster, schaute was so im Hof passierte.


Direkt vor dem Fenster ist Rasen, etwa 10 Meter entfernt steht ein zweistöckiger Container in welchem mittlerweile der Anstaltspfarrer und Berater des Arbeitsamtes ihre Büros haben.


VI. Der Aufenthalt


Im Rückblick sind die drei Monate recht rasch vergangen, stets gab es etwas zu tun: d.h. zu lesen, zu schreiben, mit den Zellennachbarn zu reden oder fernzusehen.


aa.) Die Zellennachbarn


In der einen Nachbarzelle saß ein Sexualtäter in Isolationshaft der 2001 für Schlagzeilen sorgte, weil er nach 8jähriger Haft binnen 2 Wochen nach der Entlassung mehrere Frauen vergewaltigt hatte.
Und in der anderen Zelle saß ein Araber, der verdächtigt wird extremistischer Moslem zu sein. Mit ihm führte ich manch spannendes Gespräch und wenn es ein Sprachproblem gab, übersetzte kurzerhand ein Gefangener vom 1.Stock- über uns in einer Zelle- ins Arabische.


Eine eigenartige Situation:nie sah man sich, man kannte nur die Stimme des Anderen, mußte von Fenster zu Fenster rufen. Aber diese Gespräche unterbrachen die Isolation.


bb.) Die Wärter


Über sie gibt es nicht viel zu berichten, sie mochten keinen unnötigen Streß, waren daran interessiert die drei Monate ruhig über die Bühne zu bringen. Sie brachten nur meine Post, Zeitung, Essen; führten mich in den Gefängnishof und zum Duschen, bzw. zum Besuch.Ein Schließer, der dann doch einmal ungehobelt war, wurde nach einer entsprechenden Beschwerde von mir, von seinen Kollegen aufgeklärt.
Viel gesprochen habe ich mit ihnen nicht, sie waren - und sind - Erfüllungsgehilfen dieses Systems. Nur einmal versuchte mich ein Wärter auf etwas naive Art, zu meiner Haltung gegenüber "Terrorismus" zu befragen, was jedoch mangels meiner Bereitschaft mit ihm zu sprechen scheiterte.


Cc.) Der katholische Gefängnispfarrer


Noch von meinem letzten Aufenthalt kannte ich den Dekan S., er besuchte mich auch diesmal während des Hofgangs einige male. Er ist nicht darauf aus Menschen zu bekehren, in diesem Fall hätte ich auch Gespräche mit ihm sicher nicht geführt, sondern versteht seinen, freilich christlichen begründeten und motivierten, Auftrag so, sich auch um jene Insassen, die in Isolation sitzen, zu kümmern. Wie er berichtete, habe er auch mit den im 7.Stock sitzenden RAF-Gefangenen regelmäßig gesprochen.
Die Diskussionen waren recht anregend und streiften gesellschaftspolitische aber auch strafvollzugliche Themen; und dabei nebenher im Hof zu spazieren lockerte die Atmosphäre auf.


dd.) Besuch


Gefangene dürfen drei mal im Monat á 30 Minuten Besuch erhalten; wie auf diese Weise familiäre Bindungen oder Freundschaften aufrechterhalten werden können weiß wohl nur die Justiz.
Ich konnte die 30 Minuten zu jeweils einen Besuch zusammenziehen von dann 90 Minuten Dauer und hatte so in den drei Monaten drei Besuche.


Jeder der Besuche wurde optisch und akustisch, d.h. es saß ein(e) WärterIn dabei, überwacht; von Privatsphäre hält man nicht viel.


ee.) Hofgang


Der Einzelhof für Isolationsgefangene findet in "8.Stock" statt, von dort oben hatte man eine bemerkenswerte Aussicht ins Umland, kann Häuser, Autos, Menschen erkennen.
Für mich war dies eine richtige Erholung, nachdem ich vier Jahre lang in Bruchsal nur die graue Gefängnismauer vor Augen hatte. Jedoch ist der Nachteil, daß man nie auch nur ein Stückchen Himmel unvergittert sieht, keinen Grashalm oder keine Blume riechen, spüren kann. Der Hof im Stammheim im 8.Stock ist rundherum vergittert und über einem ist ein Betondach.
Sich dem Wind und Regen auszusetzen hat mir gefallen, denn in einem sterilen Gefängnisbau wie Stammheim geht jeder Bezug zur Natur ansonsten verloren.


ff.) Der Fernseher


Nach fast vier Jahren ohne TV-Gerät, war die Bilderflut in den ersten Tagen nur schwer zu ertragen; vor allem die dümmlichen Talk-/Gerichtsshows und Werbungen machten mich fast ein wenig aggressiv. Ich fragte mich wie Menschen sich davon dauerberieseln lassen können ohne abzustumpfen, ihre Phantasie zu verlieren.


Nach einigen Tagen konzentrierte ich mich dann auf die Nachrichtensender n-tv und CNN, sowie die ein oder andere Sitcom.
Seit es im Strafvollzug in der Regel für alle Gefangenen einen Fernseher gibt, sind die Freizeitaktivitäten (Gesprächsgruppen, Sport, Spiel) erheblich zurückgegangen; offenbar ist es für viele einfacher sich passiv einlullen zu lassen, anstatt selbst aktiv zu werden.


Nun, zurückgekehrt nach Bruchsal, besitze ich kein Fernsehgerät und ich vermisse nichts; dessen ungeachtet, versuchte ich weiterhin gerichtlich eine Aushändigung meines Fernsehers zu erzwingen, denn als erwachsener Mensch möchte ich selbst entscheiden ob und wenn ja wann ich fernsehe.


VII. Zusammenfassung


Manchem/r Leserin wird aufgefallen sein, daß ich wenig davon berichtet habe, wie es mir seelisch in der Isolation in Stammheim ging. Nun, ich bin ein eher nüchterner Mensch und so erlebe ich auch die an mir vollstreckte Isolation eher ruhig und gelassen; manche Ungerechtigkeiten, Schikanen lassen mich dann selbstverständlich auch sehr deutlich und auch aufbrausend werden.


Aber, ich bin nicht der Typ Mensch, der sich voller Selbstmitleid ins Bett legt und eine Sinnkrise bekommt, denn ich habe Ziele, Pläne, Wünsche für die es sich zu leben und zu kämpfen lohnt.
Die Drei Monate in Stammheim zeigen mir, daß dieser Staat das Verfahren von Menschen zunehmend perfektioniert, direkte Außenkontakte werden auf ein Minimum reduziert und ich gestehe durchaus zu (dies in die Richtung jener Kritikerinnen, die mir an anderer Stelle vorwarfen, ich wäre unsolidarisch indem ich das Etikett "Foltern" für die heute praktizierte Isolationshaft in Deutschland ablehne), daß für viele ein völliges auf sich selbst Zurückgeworfensein als folterähnlich wahrnehmen, denn den "normalen" Gefangenen bleibt zumindest noch die gemeinsame Kommunikation beim Hofgang oder in einer Freizeitgruppe.


Der/die einzelne Gefangene in Stammheim ist kaum mehr als ein Stück Transportgut das zurückgelagert wird; darin unterscheidet sich diese JVA aber kaum von anderen Anstalten, jedoch hat sicher die monströse Architektur Stammheims ihren -verschärfenden- Einfluß auf diesen Gesamteindruck.




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