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Strafvollzug - Orwellsche Phantasien



Strafvollzug: Orwellsche Phantasien werden Realität

Seit 2006 haben die Bundesländer die Gesetztgebungskompetenz für den Bereich des Strafvollzuges. Obwohl in der Fachöffentlichkeit heftig kritisiert (Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung sprach von einem zu erwartenden „Wettbewerb der Schäbigkeit“) wurde im Rahmen der Förderalismusreform beschlossen, dass der Bund künftig bestimmte Bereiche nicht mehr selbst regeln sollte; u.a. betraf dies den Ladenschluß, und eben auch den Strafvollzug/Untersuchungshaftvollzug (unabhängig ob für Erwachsene oder Jugendliche).

Baden-Württemberg gehört zu jenen Ländern die nun eigene Gesetze erlassen werden, eine Pflicht hierzu besteht nicht.

Neben einem Entwurf für ein Jugendstrafvollzugsgesetz legte die Landesregierung in Stuttgart auch ein Justizvollzugs-Datenschutzgesetz vor (Landtagsdrucksache 14/1241 vom 15.05.2007).

Das 31 Paragrafen umfassende Gesetz regelt die Verarbeitung personenbezogener Daten in den Gefängnissen des Landes. Gemäß §1 JVollzDSG gehe es darum, die „Persönlichkeitsrechte von Gefangenen und sonstigen Betroffenen zu wahren, den Justizbehörden die effiziente Erfüllung ihrer Aufgaben zu ermöglichen, die Sicherheit und Ordnung der Anstalten zu gewährleisten und einen Beitrag für die innere Sicherheit zu leisten“. So steht es wortwörtlich im Gesetz.

Gefangene dürfen künftig biometrische Daten abliefern, sprich neben Aufnahmen der Stimme sind dann auch Iris-Scans und anderes zulässig (§5).
Auch die Videotechnik wird geregelt (§6): nicht nur das bloße Beobachten mittels Videokameras wird legalisiert, sondern auch das Aufzeichnen der Bilder; selbst Zellen sollen optisch und akustisch überwacht werden dürfen, soweit dies zur Abwehr „von erheblichen Gefahren für Leib oder Leben von Gefangenen oder Dritten sowie zur Verhinderung und Verfolgung von erheblichen Straftaten“ (§6 Abs.2) notwendig erscheint.

Und die Überwachungswünsche der Justiz gehen noch weiter: so soll die RFID-Technik Einzug halten, die Überwachung des Aufenthaltsortes jedes Gefangenen mittels „Funkchips“.
So bestimmt §7, dass aus Gründen der Sicherheit und Ordnung oder zur Überwachung des Aufenthaltsortes, Zeitpunkt und Aufenthaltsort mittels „RFID-Transponder durch Empfangsgeräte automatisiert erheben“ dürfe.

Des Weiteren dürfen (wenn auch mit Einwilligung des Inhaftierten) RFID-Transponder fest mit dem Körper des Gefangenen verbunden werden (sprich: etwas Ähnliches wie die elektronische Fußfessel soll das werden). Dies insbesondere dann, wenn der Gefangene auf dem Gelände der JVA zu Arbeiten eingesetzt wird, oder gegen ihn bestehende „besondere Sicherungsmaßnahmen“ abgemildert werden sollen.

Die weiteren Paragrafen regeln die Voraussetzungen zur Verarbeitung von Informationen die durch Zensur, Besuchsüberwachung, beim Anstaltsarzt, beim Psychologen der Anstalt, u.a. Stellen anfallen. Letztlich läuft der Gesetzentwurf (der am 01.07.2007 in Kraft treten soll) auf den „gläsernen Gefangenen“ hinaus. Denn Schutzmaßnahmen die Privatsphäre betreffend stehen unter Ermessensvorbehalt der Justiz: in §20 Abs. 3 wird nämlich geregelt, dass Maßnahmen zum Schutz der jeweiligen Daten nur erforderlich sind, wenn diese Maßnahmen hinsichtlich ihres „Aufwands in einem angemessenem Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck“ stehen (schon ohne dieses neue Gesetz haben z.B. Gerichte entschieden, dass Gefangene kein Anrecht auf Schutz ihrer Gefangenenkonto-Daten haben. Jeder Schließer der die Auszüge in die Hände gedrückt erhält um sie auszuteilen, darf darin lesen.).

Diesem- man muß es so nennen- „Machwerk“ den Namen „Datenschutz“ Gesetz zu geben, zeugt von einem gewissen Zynismus, denn geschützt werden die Daten der Inhaftierten dadurch sicher nicht.

So bemängelte die SPD im Landtag von Stuttgart (dort ist sie in der Opposition) am 24. Mai 2007 in der 5(!) minütigen Debatte zu diesem Gesetz, dass sich faktisch jeder Schließer auch bei noch so „geringfügigen Entscheidungen wie etwa einer Verlegung(…) intime Daten, die für die medizinische Behandlung von Bedeutung sind“ verschaffen könne (vgl. Debattenprotokoll vom 24. Mai 2007, S. 1601).

Sicher ist vieles in dem Gesetz noch Zukunftsmusik, jedoch ist die lückenlose Bespitzelung und Ausforschung der Häftlinge darin angelegt. Dies zeigt, was Landesregierung und Justiz von der Menschenwürde der Inhaftierten halten……..

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA- Z. 3117, Schönbornstraße 32
D-76446 Bruchsal
www.freedom-for-thomas.de




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last modified 23.11.2017 | webmaster