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Strafvollzug - Verfassungsbeschwerde erfolgreich

Strafvollzug – Verfassungsbeschwerde erfolgreich


Wer als Bürger – und nicht nur als Gefangener – vor Gericht sein Recht suchen will oder muss, der benötigt einen langen Atem, wie folgendes Beispiel aus dem Bruchsaler Gefängnisalltag illustrieren soll.

Schon vor über zwei Jahren berichtete ich über den Fall des als „Einkaufshelfer“ eingesetzten Mitgefangenen Fritz G. ( http://www.de.indymedia.org/2006/02/138142.shtml). Er wurde beschuldigt, im Einkaufsraum der Vollzugsanstalt versucht zu haben, eine Stange Tabak zu stehlen.

In Bruchsal können Gefangene zwei Mal pro Monat Nahrungs- und Genussmittel kaufen und vermittelt wird das Warenangebot von einem Händler (seinerzeit REWE). Um die Verkaufsregale zu füllen und an den Einkaufstagen den Verkauf abzuwickeln, waren Gefangene als „Einkaufshelfer“ tätig. Und in diesem Rahmen soll im Januar 2003 der Diebstahlsversuch stattgefunden haben.

Ein Strafprozess endete 2004 mit Freispruch und das Landgericht hob den aufgrund des Diebstahlsvorwurfs von der JVA verfügten Rauswurf aus dem Job als Einkaufshelfer auf. Als G. nun von der Anstalt verlangte, wieder eingesetzt zu werden, lehnte diese ab, denn REWE wollte Herrn G. nicht beschäftigen.

Hiergegen klagte G. erfolglos vor dem Landgericht und ebenso vor dem Oberlandesgericht. Im Sommer des Jahres 2005 reichte Fritz G. beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde ein. Er rügte, die Entscheidungen der JVA, wie die des LG und des OLG seien verfassungswidrig.

Am 23. Januar 2008 wurde ihm nun ein 15-seitiger Beschluss des höchsten deutschen Gerichts (Az. 2 BVR 1061/05, Beschluss vom 27.12.2007; abzurufen unter http://www.bundesverfassungsgericht.de) zugestellt.

Darin wird Herrn G. bestätigt, dass die genannten Entscheidungen allesamt verfassungswidrig sind. In seiner ausführlichen Begründung legt das Gericht die Bedeutung von Arbeit im Strafvollzug als Mittel der Resozialisierung dar. Es betont, dass auch eine „Nebentätigkeit“, wie die des Beschwerdeführers grundrechtlich geschützt ist und fährt fort: „(sie) kann zusätzliche Gelegenheit zur Erzielung von Einnahmen, zur Entwicklung lebensdienlicher Fähigkeiten, zum Erwerb von Achtung, zur Förderung der Selbstachtung, und damit zur Verbesserung der Voraussetzungen für ein künftiges straffreies Leben in Freiheit vermitteln“. (a.a.O., S. 13).
Die Anstalt und die Gerichte werden gerügt, da sie es hingenommen hätten, den Gefangenen in einen quasi rechtsfreien Raum gestellt zu haben, ohne Möglichkeit, Gerichte anzurufen. Denn das Landgericht hatte, der JVA darin folgend, angenommen, es handele sich bei der Tätigkeit nicht um eine, für die das Strafvollzugsgesetz gelte. Das von Herrn G. angerufene Arbeitsgericht wiederum verneinte seine Zuständigkeit, da es sich sehr wohl um eine Arbeit nach dem Strafvollzugsgesetz handele (wer sich hier an eine kafkaeske Situation erinnert sieht, hat wohl nicht Unrecht).

Jetzt kann Fritz G. seinen Amtshaftungsanspruch vor den Zivilgerichten endlich weiter verfolgen. Denn für die Zeit, in der er rechtswidrig nicht als Helfer arbeiten durfte, entgingen ihm um die 2000 Euro an Einnahmen. Die Zivilgerichte waren jedoch an die ablehnenden Beschlüsse von LG und OLG gebunden und verwarfen folglich die Zivilklage.

Seit der „Entlassung“ aus der Helfertätigkeit im Juni 2003 (wobei, dies als Kuriosität am Rande, der Diebstahlsversuch schon im Januar 2003 geschehen sein soll und auch im Januar 2003 der Anstaltsleitung bekannt wurde) sind nun fast fünf Jahre verstrichen. Die Geduld und Hartnäckigkeit von Herrn G. sind respektabel, andere hätten entnervt aufgegeben. Dass er sich übrigens mit seiner Klagetätigkeit keine Sympathien in der Vollzugsbehörde zugezogen hat, sollte nicht unerwähnt bleiben.

Es bleibt abzuwarten, ob 2008 das Verfahren vor Gericht endgültig abgeschlossen werden kann.


Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
homepage: http://www.freedom-for-thomas.de





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last modified 23.11.2017 | webmaster