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Geldentschädigung für überlange Gerichtsverfahren



Klagt man als Gefangener gegen die Justizvollzugsanstalt (JVA) vor Gericht, muss man mitunter lange Zeit auf eine Entscheidung warten. Bei „überlanger Verfahrensdauer“ bietet sich an, für eine Wartezeit eine Geldentschädigung zu fordern.

Gerichtliche Klagen gegen die JVA

Gefangene, Sicherungsverwahrte, aber auch InsassInnen in forensischen Psychiatrien können gem. §§ 109 ff StrVollzG gegen sie belastende Maßnahmen vor der zuständigen Strafvollzugskammer des Landesgerichts versuchten Rechtsschutz zu erlangen; beispielsweise können sie gegen das Verbot bestimmte Gegenstände besitzen zu dürfen (eine Tasse, eine Nagelschere) ebenso klagen, wie gegen die Versagung von vollzugslockernden Maßnahmen (wie Ausgang oder Hafturlaub).

Überlange Verfahrensdauern

Wie kürzlich berichtet ( http://community.beck.de/gruppen/forum/rechtsschutz-im-knast-hei-t-warte…) warten Inhaftierte mitunter Monate oder gar Jahre auf eine gerichtliche Entscheidung. Da die BRD mehrfach vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen „überlanger Verfahrensdauern“ (im Bereich des Zivilrechts) verurteilt wurde, schuf der Gesetzgeber mit den §§ 198 GVG ein Instrumentarium, zumindest im Nachgang zu einem überlangen Verfahren eine Kompensation zu erhalten.

§§ 198 GVG

Die seit 2011 geltende Regelung setzt voraus, dass man im vorangehenden Gerichtsverfahren eine „Verzögerungsrüge“ (§ 198 III GVG) erhoben hat, also gegenüber dem jeweiligen Gericht eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass man diese Verfahrensdauer für unangemessen lang erachte.

Nach 6 Monaten (vgl. § 198 V GVG) kann beim zuständigen OLG Klage erhoben werden, mit dem Ziel, dass man entweder eine Geldentschädigung erhält, oder aber der Senat feststellt, dass das Verfahren überlang dauert.

Beschluss des OLG Karlsruhe

Da diverse Verfahren, die ich schon 2013 gegen die JVA Freiburg anstrengte, erst 2015 entschieden worden, beantragte ich beim OLG Karlsruhe Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen das Land Baden-Württemberg, mit dem Ziel eine Geldentschädigung zu erstreiten. Der 23.Zivilsenat, unter Vorsitz von Dr. Guttenberg, bewilligte mit Beschluss vom 10.12.2015, Az. 23 EK 2/15

Prozesskostenhilfe für sieben Verfahren: in fünf Fällen für jeweils eine Mindestenstentschädigung von 1.200 Euro, in einem Fall von 900 Euro und in einem weiteren Fall für 800 Euro. Der Beschluss ist als PDF-Datei dem vorliegenden Beitrag angeschlossen.

Die Gründe

Das OLG hält zum einen den Vortrag, es handele sich um eine unangemessene Verfahrensdauer für naheliegend, zum anderen gelte es schwierige Rechtsfragen im Hauptverfahren zu klären, z.B. ob ich möglicherweise „illoyal verspätet“ die oben erwähnten Verzögerungsrügen erhoben habe.

Weiteres Verfahren und Ausblick

In Kürze wird nun durch die anwaltliche Vertretung(Dr.Klaus Eschenburg; www.dr-klaus-eschenburg.de) die gleichfalls mit dem Beschluss beschlossen wurde, Klage gegen das Land erhoben werden. Ob dann am Ende über 7.000 Euro Geldentschädigung zugesprochen werden, das ist keineswegs sicher, jedoch ist die Inanspruchnahme auch dieses rechtlichen Instrumentariums sinnvoll. Wenn einem der Staat schon die Freiheit nimmt, dann gilt es auch die wenigen rechtlichen Möglichkeiten, die einem zugebilligt werden, effektiv und effizient zu nutzen. In meinem Fall sind einige Dutzend Verfahren beim Landgericht Freiburg anhängig- einen Großteil der bisherigen Verfahren habe ich gewonnen. Was im übrigen auch Bände spricht, denn es wirft ein besonderes Licht auf die Vollzugsgestaltung der Leitung der JVA Freiburg, die regelmäßig vom Landgericht und auch vom Oberlandesgericht attestiert wird, die Rechte der Sicherungsverwahrten zu verletzen. Freilich führt das in der Praxis dies nicht zu einem Umdenken seitens der Beschäftigten in der Anstalt.

Für Anwältinnen und Anwälte sind solche Verfahren wenig lukrativ, so dass sich die Verwahrten selbst helfen müssen- und auch können, wie man vorliegend sieht.

Wenn man dann schon Jahre auf den „Rechtsschutz“ wartet, ist nur recht und billig, dass man für die Wartezeit eine finanzielle Entschädigung erhält.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV), Hermann Herder Str. 8, 79104 Freiburg

https://freedomforthomas.wordpress.com

http://www.freedom-for-thomas.de


Beschluss (PDF)






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last modified 23.11.2017 | webmaster