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Knast in Baden-Württemberg - nach dem Karneval ist vor dem Karneval!

Auch wenn die Faschings- und Karnevalszeit nun vorbei ist, so fühlt man sich in Baden-Württembergs Gefängnissen (und sicherlich nicht nur dort) als Gefangene oder Gefangener doch weiterhin an diese lustige Jahreszeit erinnert. Hier ein paar aktuelle Beispiele:

Ein echter Schenkelklopfer ist die Firma REWE (vgl. "REWE AG bereichert sich an Gefangenen"). Sie bietet alle zwei Wochen in der Haftanstalt Bruchsal einen Basareinkauf für die Insassen an. Nun verkaufte sie Tee der Marke TEEKANNE, und zwar die Sorten: „Heisse Liebe“, „Pure Lust“ und „Sweet Kiss“. Gefangene rätseln, ob der Verkauf auf Veranlassung der Anstaltsleitung oder gar noch höheren Ortes erfolgt, auf das auch die renitentesten Häftlinge endlich in Liebe zu ihrer zuständigen Juristin oder dem Juristen entflammen.

Das „Fachblatt“ für Strafvollzugskunde: BILD-Zeitung, immer investigativ recherchierend, berichtete am 26.1.2005 unter der Überschrift „Die Kartoffel-Zoffel“ über Justizminister Goll, der mit der Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium, Frau Gurr-Hirsch, in Clinch liege. Bekamen Gefangene in Bruchsal, Stammheim und andernorts bislang frische Kartoffeln vom Feld auf den Tisch, kündigte nun das Land den Vertrag mit dem Bauern, der die Knäste bislang belieferte. Künftig müssen die Anstalten fertig geschälte Erdäpfel beschaffen. Dies beklagte Frau Gurr-Hirsch, denn frisch geschälte Kartoffeln seien ernährungsphysiologisch wertvoller, außerdem bedeute das Schälen auch ein - Zitat - „Beschäftigungstherapie für Häftlinge“. Der Herr Minister konterte kühl, dass durch den Kauf fertig geschälter Kartoffeln die justizeigenen Schälmaschinen geschont würden und man keine Entsorgungskosten für das Schälgut mehr tragen müsse. Wir (Gefangene) sind gespannt auf die nächste Runde in diesem Streit, denn die Staatssekretärin betonte, dass sie in „keiner Weise zufrieden (sei) und (sich) auch weiter um die Sache bemühen“ werde.

Schilda wäre stolz, hätte es so kompetente Einwohner wie beispielsweise Ministerialrat Dr. jur. Bernd-Rüdiger W., seines Zeichens - nebenberuflicher - Dozent an der Universität Tübingen im Bereich Strafvollzugsrecht, hauptberuflich jedoch wirkt er im Justizministerium Baden-Württemberg im Referat Strafvollzug. Unter seiner tätigen Mithilfe wurden im Dezember 2004 alle Anstalten Baden-Württembergs angewiesen, ab 1.1.2005 von kranken Gefangenen Zuzahlungen für Arznei-/Verbands-/Heil- und Hilfsmittel zu verlangen ( " Strafvollzug: Neuerungen ab 2005"). Das Personal ächzte und stöhnte, auch die Anstaltsärztin der JVA Bruchsal raufte sich die Haare, denn der Verwaltungsaufwand wäre enorm. Gefangene erhalten nämlich in der Regel keine kompletten Medikamentenpackungen, sondern nur eine, zwei, fünf, zehn Tabletten; über jede einzelne Pille müsste folglich Buch geführt und anteilig abgerechnet werden (fiskalisch so „sinnvoll“ wie der aus der Literatur bekannte Versuch der BürgerInnen von Schilda, in ein Haus in das vergessen wurde, Fenster zu bauen, Sonnenlicht zu bringen, indem selbiges in Säcken „eingefangen“ und in das Haus transportiert wurde). Selbst einige Insassen murrten verhalten. Am 30.12.2004 wurde morgens hier in Bruchsal ein Aushang an die Wand gepinnt, auf welchem die Anstalt die ab 1.1.2005 geltende Regelung verkündete. Wenige Stunden später wurde die Verfügung gestrichen, offenbar hatte man im Justizministerium bemerkt, dass die Idee wenig durchdacht war und Order an alle Anstalten gegeben, die Regelung erstmal nicht durchzuführen. Wie jedoch einem neuen Aushang entnommen werden kann, o.g. Dr. jur. W. B beehrte die Haftanstalt Bruchsal nämlich im Januar mit einem Besuch, soll die Zuzahlung doch noch kommen, sobald man eine den Verwaltungsaufwand in Grenzen haltende Abrechnungsmethode gefunden habe. So Herr Ministerialrat W. in einem Gespräch mit Gefangenenvertretern.

Gestärkt mit TEEKANNE’s „Heisser Liebe“ und „Purer Lust“ werden wir den nächsten Einfällen von Ministeriums- und Gefängnisbeamten (und -beamtinnen) interessiert entgegen sehen!




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last modified 23.11.2017 | webmaster