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Gesundheitsfürsorge im Knast – Rechnungshof prüft!

Alljährlich prüfen die Rechnungshöfe der Bundesländer die Wirtschaftlichkeit der Landesbehörden. In Baden-Württemberg veröffentlichte vor wenigen Wochen der Rechnungshof in Karlsruhe seine "Denkschrift 2005". In Kapitel 10 beschäftigt sich der Rechnungshof (= RH) mit (angeblicher) Verschwendung im Bereich der Gesundheitsfürsorge für Gefangene.

Vorweg eine kurze Erläuterung: Gefangene haben keinen Anspruch auf freie Arztwahl, sie sind gezwungen mit dem Anstalts-/Gefängnisarzt vorlieb zu nehmen. Diese(r) entscheidet auch darüber, ob ein spezieller (externer) Facharzt, z.B. ein Hautarzt, hinzugezogen wird. Bislang werden den Insassen keine Zuzahlungen zu Arznei-/Hilfsmitteln abverlangt, ebenso wenig Praxisgebühr oder Krankenhauszuzahlungen.

Für das Jahr 2003 wurden laut dem RH rund 21 Millionen Euro für die baden–württembergischen Insassen für deren Gesundheitsfürsorge aufgewendet. Insgesamt glaubt der RH ein Einsparpotential von mindestens 3 Mio. Euro pro Jahr ausgemacht zu haben. So sollte bspw. die Suchtstation im Gefängniskrankenhaus Hohenasperg einfach geschlossen werden, da die Behandlungserfolge – Zitat – "enttäuschend" seine. Einsparungen bei Schließung: 600.000,- EUR. Daß so die für viele (Langzeit-)Gefangene die einzige verbleibende Therapiemöglichkeit entfiele, interessiert bei der rein betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise den RH nicht.

Gefangenen sollten ferner die für freie Bürger verbindlichen Zuzahlungen in Rechnung gestellt werden; dies ergebe 300.000,- EUR Einnahmen pro Jahr. Zugleich hätte eine - Zitat – "erhöhte Kostensensibilität der Gefangenen" zur Folge, dass diese weniger Arzneimittel und Ärzte in Anspruch nähmen. Was durchaus nahe liegt, denn wer nur 200,- EUR im Monat verdient (davon werden nur 3/7 zur freien Verfügung als "Hausgeld" gewährt), wird es sich überlegen, ob sie/er sich den Arztbesuch leisten kann.

Spannend auch die Einsparvorschläge im Bereich der zahnärztlichen Versorgung. Gerade bei Gefangenen sind Zähne überdurchschnittlich häufig sanierungsbedürftig. Im Jahr 2003 wurden (einschließlich Zahnersatz) 1,1 Mio. Euro für zahnärztliche Behandlung ausgegeben. Einsparungen von 300.000,- EUR seinen erzielbar. Unter anderem schlägt der RH vor, die Sprechstunden zu kürzen! Eine originelle Idee.

Bedauerlicherweise hat sich der RH bislang nicht die Mühe gemacht, die Qualität der Ergebnisse der Gefängnisjuristen zu prüfen, denn dort läge sicherlich ein wesentlich größeres Einsparpotential, aber ich möchte nicht polemisch werden. Berichte wie die des RH sind willkommener Anlass für die Gefängnisse, die sowieso nur rudimentäre Basisversorgung weiter zu kürzen und dabei die Gesundheit der Gefangenen aufs Spiel zu setzten. Wir wurden zum Entzug der Freiheit verurteilt, nicht zur Gefährdung von Leib und Leben. Und der Hinweis auf die Praxis in Freiheit hinsichtlich Zuzahlungen, bzw. Einsparungen hilft auch nicht weiter, denn jene Zustände "draußen" sind ebenso inakzeptabel!




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last modified 23.11.2017 | webmaster