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Karlsruher Landrecht

Über den skandalösen Umgang durch Richterinnen und Richter des Landgerichts Karlsruhe (http://www.lgkarlsruhe.de) mit Anträgen von Bruchsaler Gefangenen habe ich schon des öfteren berichtet; zuletzt auch ausführlich im Jahr 2012, als besagte RichterInnen die flehentlichen Anträge eines todkranken HIV-kranken Gefangenen (Willi K.) so lange liegen ließen, bis Willi starb (http://de.indymedia.org/2012/04/328276.shtml).
Augenscheinlich haben die RichterInnen am Landgericht nichts daraus gelernt.

„Frank O.“

In der heutigen Geschichte, die auf Fakten basiert, soll er Frank O. heißen, geboren 1963, schwer gezeichnet von jahrzehntelangem Drogenkonsum. Im Jahr 2004 vom Landgericht Karlsruhe zu sieben Jahren Haft mit anschließender Unterbringung in der Sicherungsverwahrung verurteilt. Er hatte für sich keinen anderen Ausweg mehr gesehen und erst einen Mitgefangenen und nach der Verlegung in die Psychiatrie einen Mitpatienten attackiert.
Lange Zeit schon sitzt O. in Einzelhaft, sprich Isolation.

Entscheidung über Antritt der Sicherungsverwahrung

Auch wenn ein Gericht einen Angeklagten zu Sicherungsverwahrung, d.h. unbefristeter Freiheitsentziehung, die nach Abbüßen der reinen Haftstrafe erfolgt, verurteilt, muss vor Ende der Strafhaftzeit und vor Beginn der Zeit in der SV die zuständige Strafvollstreckungskammer den Fall prüfen und ggf. den Antritt der SV beschließen (vgl. § 67 c StGB).

Verfahrensgang im Fall „Frank O.“

Denkbar knapp, aber immerhin rechtzeitig legte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe am 22.07.2011 die ganzen Akten den RichterInnen vor, denn ab dem 08.10.2011 war dann der Beginn der SV notiert. Alle Strafen wären verbüßt, „nur“ noch die Sicherungsverwahrung offen.
Nach Eingang der Akten im Juli 2011 wartete die Kammer bis zum 10.10.2011 zu, bis man sich entschied, es müsse erst noch ein Gutachten eines Psychiaters her, der sich zur „Kriminalprognose“ äußern solle, d.h. zu der Frage, ob man Frank O. frei lassen könne.

Der Gutachter, Dr. Splitthoff, Chefarzt des Zentrums für Psychiatrie in Wiesloch
(http://www.pzn-wiesloch.de/) ließ sich viel Zeit, er kannte Frank O. schon von früher und außerdem ist er ein gefragter Gutachter. Am 22.02.2012 erschien Splitthoff in der JVA Bruchsal, um mit Frank O. ein persönliches Gespräch zu führen. Einen weiteren Monat später legte er dem Gericht ein nicht mal 20 Seiten umfassendes „Gutachten“ vor, in welchem er sich gegen eine Freilassung aussprach.

Erst für den 31. Mai 2012 wurde von dem Vorsitzenden Richter am Landgericht KLEINHEINZ eine mündliche Anhörung von Frank O. und dessen Anwältin angesetzt.

Und weitere fast sieben Monate später erging der die Entlassung ablehnende Beschluss der drei RichterInnen der Strafvollstreckungskammer.

Das Oberlandesgericht greift ein

Immer wieder muss das OLG Karlsruhe die KollegInnen der unteren Instanz rügen. So auch am 25.01.2013. Unter Vorsitz von Richter am OLG Schubart entschied der 2. Strafsenat (http://www.lgkarlsruhe.de), dass das „Gutachten“ nicht ansatzweise den „Mindestanforderungen, die an Prognosegutachten zu stellen“ seien, entspreche. Ferner beanstandete das OLG. dass nicht drei RichterInnen des Landgerichts die Anhörung durchführten, wiewohl dies das Gesetz explizit vorschreibe, sondern nur der Vorsitzende alleine.
Schlussendlich sah sich der 2. Strafsenat noch zu dem deutlichen Hinweis auf die Untätigkeit veranlasst; die Kammer des Landgerichts habe nun endlich den „Beschleunigungsgrundsatz“ zu befolgen (Az. des Beschlusses: 2 Ws 29/13).
Bemerkenswert waren die deutlichen Worte des Oberlandesgerichts, wie auch die Zügigkeit der Entscheidungsfindung, denn genau 11 Tage nach Einreichung der Beschwerde vom 14. Januar zerpflückte der Senat den Beschluss der 1. Instanz, sowie das sogenannte „Gutachten“ des Dr. Splitthoff.

Wo ist das ein Problem?

Wenn ein mehrfach wegen teils schwerer Körperverletzungen von Gerichten strafrechtlich belangter Mensch in die SV gesteckt werden soll, wo sollte da ein Problem sein? Es ist nicht nur der historische Kontext der SV ein Problem, denn es blieb den Nationalsozialisten vorbehalten, im November 1933 die SV zu institutionalisieren, sprich ins Strafgesetzbuch aufzunehmen; sondern auch in psychologischer, wie politischer Hinsicht erweist sich das prototypische Verhalten des Landgerichts Karlsruhe, bzw. dessen RichterInnen als beachtenswert.

Aus psychologischer Sicht ist festzustellen, dass die eklatanten Verfahrensfehler, die Untätigkeit, das kritiklose Übernehmen eines „Gutachtens“, welches nach der überzeugenden Analyse des Oberlandesgerichts nicht die Mindeststandards erfüllt, welche ein Gutachter zu beachten hat, dass all dies zusammen genommen bei dem Betroffenen und seinen Mitgefangenen den Eindruck hinterlässt, mit ihren (Grund)Rechten dürfe der Staat nach Belieben verfahren. Da hilft es auch wenig, dass Frank O. vor dem OLG obsiegte, denn die „Stimmung“ beim Landgericht dürfte angesichts der deutlichen Kritik, die das Oberlandesgericht geäußert hat, nicht zur Sympathiesteigerung für Frank O. führen. Einerseits sollen Gefangene wie auch Sicherungsverwahrte lernen, sich an Gesetze zu halten, zugleich lebt jedoch das Gericht, das über eine Freilassung zu entscheiden hat vor, dass es nicht gewillt ist, sich an grundlegende Verfahrensnormen und verfassungsgerichtliche Vorgaben zu halten.

Politisch ist dieses Verhalten des Landgerichts bezeichnend, denn letztendlich setzt das Gericht, wenn auch unter Bruch von Recht und Gesetz den „Volkswillen“ um, schon seit Goebbels gilt, dass es sich bei den Sicherungsverwahrten um „Volksschädlinge“ handelt, die es gilt „auszurotten“; die Wortwahl hier stammt von 1933, aber der Ungeist wirkt bis heute fort, als wäre nie nimmer nichts geschehen.

Wie geht es für Frank O. weiter?

Frank sitzt nach wie vor, gesundheitlich schwer beeinträchtigt, in Einzelhaft; gelegentlich dürfte er mit dem für Freizeitaktivitäten zuständigen Wärter Tischtennis spielen oder basteln. Aus der Zelle geht Frank jedoch in letzter Zeit fast nie, da sein Bein beschädigt ist. Das Versorgungsamt hat ihn zu 50 % als schwerbehindert anerkannt und so bekommt er täglich durch die Luke in der Zellentüre sein Methadon und abends Schlafmittel.
Das OLG hat zwar im Januar das Landgericht deutlich darauf hingewiesen, endlich den „Beschleunigungsgrundsatz“ ernst zu nehmen, aber auf fruchtbaren Boden fiel die Mahnung augenscheinlich nicht, denn mittlerweile, Mitte März, hat weder die vom OLG geforderte Nachbegutachtung, noch eine mündliche Anhörung durch das Landgericht stattgefunden, noch sind entsprechende Verfahrensschritte angekündigt oder gar terminiert. So dürfte bei realistischer Betrachtungsweise auch im zweiten Anlauf das Landgericht kaum die Freilassung von Frank O. anordnen.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
http://www.freedom-for-thomas.de
https://freedomforthomas.wordpress.com




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last modified 20.12.2017 | webmaster