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Gefangener erhält Schadenersatz

Gefangener erhält Schadenersatz

Anfang März 2007 verurteilte der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe das Land Baden-Württemberg in einem Amtshaftungsprozess zur Zahlung von knapp 2100 Euro, zu leisten an einen in der Haftanstalt (JVA) Bruchsal in Haft befindlichen Strafgefangenen.

Zur Vorgeschichte: der Gefangene X – er möchte nicht namentlich genannt werden – war seit mehreren Jahren als Einkaufshelfer tätig. Das heißt, er musste in der JVA in dem von REWE betriebenen Gefängnisladen Regale füllen und putzen, sowie an den zwei Mal monatlich stattfindenden Einkauftagen die gewünschten Waren in die Einkaufswagen packen.
Diesen Posten verlor er 2002, da die JVA der Meinung war, X versuche eine Schlüsselposition einzunehmen und den REWE-Vertreter zu manipulieren. Diese Manipulation, so die Anstalt, habe darin gegipfelt, dass X die Lieferung von Kartoffeln veranlasst habe, wohlwissend um das Kartoffelverbot in hiesigem Gefängnis.
Die Münchner Rechtsanwältin von Herrn X, Frau Kunisch, pflegte deshalb ironisch von der „Kartoffel-Affäre“ zu sprechen. Durch den Verlust der Helfertätigkeit entgingen X monatlich etwa 70 Euro Lohn.

Nach mehrjährigem Rechtsstreit befand der 1. Strafsenat des OLG Karlsruhe (1 WS 61/05) am 03.08.2005, die Ablösung von dem Arbeitsplatz als Einkaufshelfer sei rechtswidrig erfolgt, er müsse weiter beschäftigt werden.

Soweit die Vorgeschichte des Amtshaftungsprozesses. Herr X wollte nunmehr den ihm entgangenen Lohn ersetzt haben, weshalb er bei der 2. Zivilkammer des LG Karlsruhe Prozesskostenhilfe für einen Zivilprozess beantragte und auch bewilligt bekam. Am 11.08.2006 (AZ: 2 O 462/05) wies jedoch das Gericht die Klage ab, da zwar die Ablösung des Klägers als Einkaufshelfer rechtswidrig sei, jedoch nicht schuldhaft erfolgt war. Nicht jeder objektive Rechtsirrtum, so die Richter, begründe einen Schuldvorwurf. Vorliegend sei die, wenn auch vom OLG letztlich als unzutreffend erkannte Rechtsmeinung der Anstalt vertretbar gewesen, mithin scheide eine Amtspflichtverletzung aus.

Hiergegen wandte sich X sodann mit seiner Berufung zum 12. Zivilsenat des OLG, welcher am 01.03.2007 eine mündliche Verhandlung durchführte. Und die Berufung hatte weites gehend Erfolg, von den geltend gemachten 2858 Euro, hatte das Land Baden-Württemberg Herrn X nunmehr 2069 Euro zu ersetzen.

In seinem noch am 1.März 2007 verkündetem Urteil ( AZ: 12 U 181/06 ) führte der Senat aus, die JVA, respektive deren Personal, habe die ihr gegenüber dem Gefangenen obliegende Amtspflicht im Sinne des Paragraphen 839 Absatz 1 BGB verletzt.

Die Position als Einkaufshelfer sei insoweit geschützt, als das eine Ablösung nur aus sachlichen, insbesondere die Gründsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes beachtenden Gründen zulässig sei. Vorliegend habe hiergegen die Anstalt verstoßen, da die Behauptung, X strebe eine „Schlüsselposition“ an, auf bloßen Gerüchten beruhte. Was die „Kartoffel-Affäre“ angehe, habe es zudem unterschiedliche Vermerke der JVA gegeben; so habe der REWE Vertreter nach Angaben eines Beamten bemerkt, die Kartoffeln seinen versehentlich geliefert worden. Später behauptete die Anstalt in einem neuen Vermerk, der REWE Angestellte, habe ausgeführt, X habe ihn gedrängt Kartoffeln zu bestellen. Insofern sei nicht ersichtlich weshalb die spätere – angebliche – Aussage des Filialleiters glaubhafter gewesen sein solle als die anfängliche, zumal X stets bestritten habe Kartoffeln bestellt zu haben.

Doch selbst wenn es hier mögliches Fehlverhalten gegeben haben sollte, so der Senat, hätte es (im Sinne des Gebotes der Verhältnismäßigkeit) erst einer Abmahnung bedurft.

Nach alledem sei der Kläger gemäss §§ 249 ff B6B so zu stellen, so zu stellen wie er stünde, wenn er als Einkaufshelfer nicht abgelöst worden wäre, weshalb ihm 2069 Euro Schadenersatz für Lohnausfall zu zahlen seien.

Revision zum Bundesgerichtshof hat der Senat nicht zugelassen.

Wie man sieht, ein aufwendiges Procedere, aber letztlich hat es sich für X gelohnt. Insofern sollten Gefangene durchaus Mut und vor allem Geduld aufbringen, ihnen amtlicherseits verursachten Schaden zivilrechtlich geltend zu machen.



Thomas Meyer-Falk
C/o JVA-Z.3117
Schönbornstrasse 32
D-76646 Bruchsal

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last modified 23.11.2017 | webmaster