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„Strafrecht: Vereinheitlichung auf europäischer Ebene“

Die Europäische Union (EU) hat sich zum Ziel gesetzt, den Bürgern in einem so genannten „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ ein hohes Maß an Sicherheit zu bieten. Deshalb prüft zurzeit die EU-Kommission, ob die Unterschiede zwischen den strafrechtlichen Sanktionssystemen der Mitgliedsstaaten der EU der Verwirklichung dieses Ziels entgegenstehen.

Zu diesem Zweck legte die Kommission ein umfangreiches „Grünbuch über die Angleichung, die gegenseitige Anerkennung und die Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen in der EU“ vor (Dokument Nr. KO11/2004/0334 endg.). Mit einer Rechtsangleichung innerhalb der EU verbindet die Kommission mehrere Ziele gleichzeitig, als da wären:

- eine symbolische Bedeutung, da eine – Zitat- „Angleichung der Strafen…zu einem gemeinsamen Rechtsgefühl der EU-Bürger beitragen“ würde;


- ein „europäischer Raum des Rechts“ bedeute auch, dass gleichartige kriminelle Verhaltensweisen unabhängig davon, wo sie in der Union begangen worden sind, mit gleichartigen Strafen bedroht würden;

- EU-weite Mindestnormen würden dazu beitragen, dass Straftäter nicht von den zum Teil beträchtlichen Unterschieden zwischen den Sanktionssystemen der EU-Staaten profitieren könnten;

- Die Angleichung der Straf- und Vollstreckungsvorschriften würden auf Regierungsebene „vertrauensbildend“ wirken.

Aus Sicht von Gefangenen interessant und vielleicht sogar erfreulich mag sein, dass in der Kommission ein Handlungsbedarf bezüglich der Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe gesehen wird. Unter Ziffer 4.1.2. des Grünbuchs wird die Frage aufgeworfen, ob es nicht sinnvoller wäre die lebenslange Freiheitsstrafe aufzuheben und durch eine zeitige Freiheitsstrafe, vorgeschlagen wird ein „Strafrahmen zwischen 20 und 30 Jahren mit regelmäßiger Überprüfung der Situation des Häftlings“, zu ersetzen. Die Autoren des Grünbuchs bezeichnen eine Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe ausdrücklich „im Hinblick auf die Wiedereingliederung und Resozialisierung des Straffälligen“ als gerechtfertigt.

Erörtert wird auch die Notwendigkeit, Gefangene die in einem Mitgliedsstaat der EU, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, in ihren „Heimatstaat“ innerhalb der EU zum Zweck der Strafvollstreckung zu überstellen, da so eine Wiedereingliederung sinnvoller durchführbar sei. Soviel zu den begrüßenswerten Aspekten des Diskussionspapiers; überwiegend, dies ergibt sich schon aus den eingangs erwähnten, von der Kommission verfolgten Zielen, geht es jedoch um eine Verschlechterung des Status quo, denn im Kern geht es darum systemabweichendes Verhalten EU-weit ähnlich oder gleich zu sanktionieren, in Verbindung mit der absoluten Verfügbarkeit des kriminalisierten Subjekts.

Wenn heute in Hamburg jemand verurteilt wird, kann er/sie problemlos in Bayern verhaftet und nach Hamburg „verschubt“ werden; künftig soll dies EU-weit ähnlich reibungslos laufen. Wer in Lettland an einer Demonstration teilnimmt und dort verurteilt wird, der kann z.B. in Spanien festgenommen, nach Lettland überstellt, und angenommen er/sie besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit, nach Deutschland zum Zweck der Strafvollstreckung verbracht werden. Nach den Plänen der EU hätte Deutschland das lettische Urteil anzuerkennen und zu vollstrecken.

Selbige gälte für Geldbußen oder Geldstrafen; wo heute noch ein gewisses Maß an Schutz besteht, sich gegen in EU-Saaten verhängte Geldstrafen und deren Vollstreckung in Deutschland zu wehren, bestünde künftig die Pflicht für deutsche Behörden rechtskräftig gewordene Urteile so zu vollstrecken, als wären sie von deutschen Gerichten verkündet worden. Für AutofahrerInnen wird dies, sollten die Pläne verwirklicht werden, ebenfalls negative Auswirkungen haben, so ihnen der Führerschein in einem der EU-Staaten entzogen oder sie mit einer Sperre belegt wurden, denn solche Entscheidungen sollen künftig möglichst EU-weit Geltung besitzen. Wem heute ein deutsches Gericht ein Fahrverbot auferlegt, der kann und darf in den anderen EU-Staaten noch ein Kraftfahrzeug führen; diese Möglichkeit soll abgeschafft werden. Ein Fahrverbot gelte dann von der nördlichsten Spitze Schwedens bis hinunter nach Italien, von West bis Ost.

Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass von Seiten der EU, weitere Bedrohungen für die Freiheit des Einzelnen ausgehen, es nicht um die Schaffung – wie es euphemistisch formuliert wurde- eines „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“, sondern um einen Raum der Unfreiheit und der Unsicherheit für die Bevölkerung geht.

hier kann das Grünbuch abgerufen werden.




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last modified 21.11.2017 | webmaster