de | en


index


texte


soli-aktionen


thomas


links


situation


karikaturen


impressum
Mordversuch in Potsdam

Mordversuch in Potsdam: Anmerkungen zur Reaktion der politischen Elite

Im Folgenden möchte ich der Frage nachgehen, ob sich insbesondere bei den so genannten politischen Eliten in Deutschland der Prozess der Ausgrenzung all jener, die nicht in ihr Weltbild vom "blonden, blauäugigen" Deutschen passen, verstetigt.

Bekanntermaßen hat Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen ein "Bündnis für Erziehung" ins Leben gerufen und sich hierzu am 20. April 2006 mit Vertretern der beiden großen christlichen Kirchen getroffen; Atheisten, Agnostiker, Freidenker, aber auch Muslime waren ausdrücklich nicht eingeladen worden. Ziel, bzw. Aufgabe des Bündnisses soll es sein, den Kindern und Jugendlichen "Werte" zu vermitteln, wie "Respekt, Verlässlichkeit und Hilfsbereitschaft".
Laut von der Leyen seien die katholische und evangelische Kirche hierfür besonders geeignet.

Zeitgleich machten Mitglieder der sich selbst als "christlich" definierenden CDU Schlagzeilen mit ihren Bemerkungen zu dem rassistischen Mordversuch vom 16. April 2006, als der Deutsch-Äthiopier Ermyas M. erst als "dreckiger Nigger" beschimpft und dann ins Koma geprügelt worden war.

Jörg Schönbohm (Innenminister von Brandenburg) stellte ein rassistisches Tatmotiv in Zweifel und merkte an, Ermyas M. sei schließlich im Dunkeln unterwegs gewesen. Sein Kollege Wolfgang Schäuble (Bundesminister des Inneren) sekundierte, ein fremdenfeindliches Motiv sei für ihn nicht belegt, außerdem - Zitat - "werden auch blonde, blauäugige Menschen Opfer von Gewalttaten, zum Teil sogar von Tätern, die möglicherweise nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben" (zitiert nach: Neues Deutschland, 21.4.2006, S. 1).
Im Übrigen, so Schäuble einen Tag später, sei die DDR mit ihrer Abschottungspolitik verantwortlich für Rassismus.

Auf den ersten Blick mögen die Reaktionen von CDU-Politikern in Bezug auf den Mordversuch in Potsdam und die Initiative von der Bundesfamilienministerin wenig oder nichts miteinander zu tun haben. Meines Erachtens sind sie jedoch durchaus in Verbindung zu sehen, denn es handelt sich um Entwicklungen, die mal mehr, mal weniger subtil systematische Ausgrenzung zum Gegenstand haben.
Von der Leyens Kabinettskollegin Schavan (Bundesministerin für Bildung) beispielsweise ist berüchtigt für ihr Vorgehen gegen Muslime, die im Schuldienst ein Kopftuch tragen und begrüßte die Initiative der Familienministerin.

Dass die Millionen Muslime offenbar nicht für "Werte" wie Respekt, Verlässlichkeit und Hilfsbereitschaft stehen, von den Abermillionen "gottlosen Menschen" in Ost und West ganz zu schweigen, wurde durch deren Nicht-Einladung zum 20. April 2006 dokumentiert (wobei der 20. April ein besonders geschmacklos gewähltes Datum darstellt, feiern doch die reaktionären Kräfte an diesem Tag Hitlers Geburtstag).

Und Schäuble suggeriert mit seinen Ausführungen, die wahren Opfer seien die "blonden, blauäugigen" Deutschen; was schert uns, wenn ein Schwarzer halb tot geprügelt wird. Dabei stehen Schäuble und Schönbohm nur exemplarisch für die Position ihrer Politikerkamerad/Innen in CDU, CSU, SPD, ja und auch bei PDS, Grünen und FDP. Entscheidend ist nämlich nicht irgendein freundlich formuliertes Parteiprogramm, sondern das Handeln im Alltag; und bei Schäuble, Schönbohm sowie von der Leyen handelt es sich auch nicht um irgendwelche politischen Außenseiter im Parteienspektrum, sondern um einflussreiche Mitglieder der Machtelite.

Selbstredend gibt es auch Gegenstimmen, aber wenn man die Entwicklungen der letzten 15 - 20 Jahre Revue passieren lässt (als Beispiele seien nur die faktische Abschaffung des Asylrechts, Rasterfahndung, Berufsverbot für Kopftuchtragende muslimische Lehrerinnen genannt) stellt man fest, dass sich die Schönbohms und Schäubles durchsetzen und deren Kritiker nur als (demokratisches) Feigenblatt herhalten.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA - Z. 3117, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
Homepage: http://www.freedom-for-thomas.de




Creative Commons-Lizenzvertrag           
last modified 21.11.2017 | webmaster